Ein kompliziert geschriebenes Schriftzeichen schürt in China Ängste. Das Zeichen "Zhang" bedeutet "anschwellen". Zusammen mit dem Wort "Jia" ( Preis) steht es für den Begriff Inflation. Chinas Internetnutzer haben "Zhang" bereits zum Wort des Jahres 2010 gekürt. Die Sorge vor Inflation ist zum alarmierenden Problem geworden, seitdem die allgemeinen Preise im Oktober um 4,4 Prozent stiegen, der höchste Zuwachs seit mehr als zwei Jahren. Während Waren und Dienstleistungen sich seit Jänner um 1,6 Prozent verteuerten, schnellten Nahrungsmittel um 10,1 Prozent in die Höhe. Die Durchschnittspreise von 18 Gemüsesorten lagen im November sogar 62,4 Prozent über dem Vorjahresmonat.

Premier Wen Jiabao verordnete nun ein 16-Punkte-Programm. Darin enthalten sind unter anderem Richtlinien zur Kontrolle der Märkte gegen Wucherpreise, besonders bei Getreide und Gemüse. Städte und Gemeinden sollen sozial Schwache unterstützen, um die seit Juli so rasch steigenden Preise überbrücken zu können. Der Staatsrat erklärte der spekulativen Hortung den Kampf. Sie sei einer der Gründe für extreme Preissprünge bei Baumwolle, Sojabohnen, Knoblauch und anderen Agrarprodukten.

Zuckerversteigerung

Peking greift zu Mitteln der alten Planwirtschaft. So will das Handelsministerium diese Woche aus Staatsreserven 200.000 Tonnen Zucker an Nahrungsmittelhersteller zu Niedrigpreisen von 4000 Yuan (450 Euro) pro Tonne versteigern. Die Zuckerpreise haben sich von 2600 Yuan pro Tonne im Oktober 2008 bis heute fast verdreifacht.

Die Börsen in China und anderen asiatischen Handelsplätzen rechnen damit, dass der Inflationsdruck auch die Zentralbank zwingt, ihre Leitzinsen weiter anzuheben, die Kreditaufnahme zu erschweren und dem Einströmen von spekulativem Kapital ("heißes Geld") entgegenzuwirken, um die Geldmenge zu verknappen. Seit dem Wochenende müssen Geschäftsbanken ihre Mindesteinlagen bei der Zentralbank um 0,5 Prozent auf 18,5 Prozent erhöhen. Das ist die fünfte Anhebung heuer. Damit soll Geld entzogen werden, das sonst in Form von Krediten an Verbraucher und Unternehmen ausgereicht werden könnte. Allein im Oktober hatten die Geldhäuser umgerechnet etwa 67 Mrd. Euro an neuen Krediten ausgegeben. Um "heißes Geld" zu stoppen, erschwert China zudem den Immobilienerwerb. Nur noch Ausländer, die schon längere Zeit im Land leben, dürfen Wohneigentum für den Eigenbedarf kaufen. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2010)