Um es als Raubkatze in Funk und Fernsehen zu etwas zu bringen, muss man eigentlich ein Löwe sein. Disney hat rund um das Löwenbaby Simba ein regelrechtes Imperium aufgebaut, König der Löwen spielt als Film und Musical - Elton Johns rührseligen Balladen sei Dank - Unsummen ein. Als Löwe kann man sogar schielend Weltruhm erlangen, wie Clarence in Daktari bewies.

Der Tiger, so wie Disney (und damit der Rest der Welt) ihn sich vorstellt, ist verschlagen, oft richtig böse, und mit wenig Hirn ausgestattet. Shir Khan wollte immer den armen Mogli fressen, fiel aber auf die simpelsten Ablenkungsmanöver herein. Säbelzahntiger Diego aus Pixars Ice Age hatte es auf das süße kleine Waisenkind abgesehen, durchlebt dann eine Art Saulus-Paulus-Geschichte und wird zur treudoofen Schmusekatze. Bloß Winnie Poohs Freund Tigger ist zeitlebens ein lustiger Geselle, laboriert allerdings an einer deutlichen Grammatikschwäche ("Das können Tigger am bestesten").

Der Tiger an sich hat also ein Imageproblem - und nicht nur das: Er ist vom Aussterben bedroht, warnt der WWF. Das bringt nun Politiker wie Russlands Regierungschef Wladimir Putin und US-Außenministerin Hillary Clinton dazu, sich bei einer Konferenz in Sankt Petersburg mit der Zukunft der Tiere auseinanderzusetzen, und auch Schauspieler Leonardo DiCaprio appelliert: "Save tigers now!"

Weltweit noch 3200 Tiger

Tatsächlich ist die Population weltweit stark geschrumpft. Gab es in den Wäldern Asiens vor einigen Jahrhunderten noch geschätzte 100.000 Tiger, sind es heute 3200, räumlich reduziert auf sieben Prozent ihres ursprünglichen Lebensraums. Ihnen wurde zum Verhängnis, dass etwa ihr Fell eine beliebte Trophäe ist; Wilderer verkaufen ihre Körperteile auch zur Herstellung zweifelhafter medizinischer Mittelchen.

2010 ist das Jahr des Tigers

2010 ist das Jahr des Tigers - nicht nur für den WWF, sondern auch in der chinesischen Astrologie. In diesem Tierkreiszeichen geborene Menschen gelten als sensibel, emotional und nachdenklich, sollen aber auch zur Ungeduld neigen. 2022, im nächsten Jahr des Tigers, könnte dieser in der freien Wildbahn schon ausgestorben sein, warnen Tierschützer. Ihr ehrgeiziges Ziel: die Verdopplung der Population.

Die aktuelle Konferenz ist übrigens die erste, die sich ausschließlich mit der Zukunft einer einzigen Tierart beschäftigt. Das muss der Löwe dem Tiger erst einmal nachmachen.(Andrea Heigl, DER STANDARD Printausgabe 22.10.2010)