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Getrockneter Schlamm in Kolontár

Foto: AP/Bela Szandelszky

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Hochwasser 2002 in Spolana (Tschechien), Gift drohte aus Chemiewerk zu fließen

Foto: APA/Jan Trestik

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Minenarbeiter von Rosia Montana (Rumänien), wo ein neues Werk geplant ist

Foto: REUTERS/Bogdan Cristel

Nach dem Giftschlamm-Unfall im ungarischen Kolontár demonstrieren die Dorfbewohner für ihren Schadenersatz

Der Schlamm ist getrocknet – aber immer noch da. Sieben Wochen ist es her, dass ein Giftschlammspeicher bei Ajka zerbarst und fünf Ortschaften in Westungarn verwüstet hat. Zehn Menschen starben, hunderte Häuser wurden zerstört. "Das ist immer noch die pure Katastrophe", sagt Caritas-Mitarbeiterin Felicitas Filip, die vor Ort half. Entschädigung haben die Opfer noch keine gesehen. Am Monatsende wollen sie demonstrieren – trotz Polizeiverbots.

Rund 4000 Hektar Land sind beschädigt, der arsen-, quecksilber- und chromhaltige Schlamm müsste laut Umweltschützern großflächig abgetragen werden. Das Unglück überraschte auch Greenpeace, das schon seit Jahren vor Industrieruinen Osteuropas als tickenden Zeitbomben warnt.

Rumänien: Giftiges Erbe an mehr als tausend Orten

In Rumänien gibt es besonders viele davon. Die Schwerindustrie des Kommunismus und der Bergbau haben dort ein giftiges Erbe an mehr als tausend Orten hinterlassen. Rumäniens Umweltminister László Borbély erklärte kurz nach der Rotschlamm-Katastrophe in Ungarn, dass Rumänien für die Sanierung betroffener Gebiete mehr als 100 Millionen Euro benötige und dafür jetzt auch Gelder von der EU beantragen wolle.

Aluminiumwerke in Risikozonen

In zwei der Risikozonen stehen Aluminiumwerke. Zum einen die Aluminiumoxidfabrik Cemtrade im nordwestrumänischen Oradea (siehe Grafik). Die zur russischen Gruppe CEAC gehörende Fabrik ist seit 2006 wegen mangelnder Rentabilität stillgelegt – nach wie vor liegt dort Rotschlamm auf einer Fläche von 40 Hektar. Kurz vor dem Aus für die Fabrik riss der Deich leicht ein, Schlamm floss auf die Äcker und hätte beinahe Oradea erreicht. Lokale Umweltschutzbehörden beklagten, die Eigentümer hätten zu wenig in die Sicherheit investiert.

Die zweite Aluminiumfabrik Rumäniens mit Rotschlammabfall liegt in Tulcea, dem Tor zum Donaudelta. Die Deponie ist laut Minister Borbély unter Kontrolle. Der WWF berichtet allerdings von zahlreichen Mängeln.

Goldbergbau-Projekt Hochgiftiges Cyanid

Demnächst dürfte sich in Rumänien zudem entscheiden, ob ein höchst umstrittenes Goldbergbau-Projekt genehmigt wird, bei dem ein kanadischer Investor hochgiftiges Cyanid verwenden will. Der flüssige Giftabfall soll bei Rosia Montana ein ganzes Tal füllen und dabei ein Dorf überschwemmen.

Fast alle Dorfbewohner haben ihre Häuser bereits der kanadischen Gold Corporation verkauft. Die Entscheidung für oder gegen das Projekt dürfte Staatspräsident Traian Basescu selbst fällen.

Slowakei: Schlecht gesicherte Aluminiumabfälle

In der Slowakei sind Pläne für neue Goldminen dagegen am Widerstand der Gemeinden gescheitert. Zahlreiche Altlasten machen aber noch genug Probleme: In Ziar nad Hronom in der Mittelslowakei steht die einzige Aluminiumhütte des Landes, die 1997 geschlossen wurde.

Dort lagern laut Greenpeace schlecht gesicherte Aluminiumabfälle. Nach Informationen des Werkdirektors Jan Klimko ist die Situation aber eine andere als in Ungarn, da die Ablagerungen zu 93 Prozent aus Braunschlamm bestünden. Braunschlamm ist fester und trocknet schneller.

Seit einigen Jahren wird das alkalische Wasser des Beckens zudem gereinigt, der Schlamm rekultiviert. Kommendes Jahr sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Ein slowakisches Sorgenkind der Umweltschützer ist Chemko Strázske in der Ostslowakei: Hier wurden laut Greenpeace im Kommunismus große Mengen des Krebsgifts PCB produziert. Noch heute soll ein großes Areal stark kontaminiert sein, die Altlastensanierung ziehe sich seit Jahren hin.

Tschechien: Gift-Depot in der Nähe von Prag

In Tschechien befindet sich ein Depot giftiger Stoffe ganz in der Nähe der Hauptstadt Prag. Weite Teile des Geländes des Chemiewerks Spolana im mittelböhmischen Neratovice sind mit Dioxin verseucht. In dem Chemiewerk wurde in den 60er-Jahren Chlorherbizid hergestellt. Dabei sind Riesenmengen an Dioxin als Abfallprodukt entstanden.

Die Konzentration in den ehemaligen Werkshallen ist so groß, dass die Gebäude lange Zeit weder saniert noch niedergerissen werden konnten und daher seit mehr als 30 Jahren einfach vor sich hin verfallen. Zwei dieser Hallen sind zudem extrem durch das jährlich sich wiederholende Hochwasser gefährdet.

Im Sommer 2002 hielten die Tanks mit dem Gift wie auch die alten Werkshallen noch stand. Eine Sanierung der Anlage würde groben Schätzungen zufolge umgerechnet jedoch knapp 40 Millionen Euro kosten. (kl, rka, rsr, spri, DER STANDARD 22.11.2010)