Abbas Khider veröffentlichte bisher Lyrik in verschiedenen Publikationen. Sein erster Roman "Der falsche Inder" ist bereits in der dritten Auflage erschienen.

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Was unterscheidet eine Odyssee von einer Weltreise? - Kreditkarte, Reisedokumente und Freiwilligkeit zählen wohl zu den wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen. "Ich glaube, mein Problem bestand darin, dass ich nicht freiwillig gereist bin. Ich war kein Tourist. Nur ein Flüchtling. Eine fliehende Taube, die vollkommen blind war. Sie konnte zwar fliegen, wusste aber nicht genau, wohin", lässt der irakische Schriftstellere Abbas Khider seinen Protagonisten Rasul Hamid sagen.

Die Odyssee

Der junge Iraker Rasul Hamid wird seiner dunklen Hautfarbe wegen von klein auf für einen Inder gehalten. Er landet als politischer Häftling in einem Gefängnis in Bagdad, weil er mit Flugzetteln gegen die Diktatur von Saddam Hussein anzukämpfen versucht. Nach dem Gefängnisaufenthalt ist er von Hunger und Folter so geschwächt, dass ihn seine eigene Mutter buchstäblich nicht wiedererkennt. Danach tritt er eine abenteuerliche Reise quer durch die arabische Welt an, bis er schließlich mit Hilfe diverser schöner Frauen, hilfreicher Schutzengel und skrupelloser Schlepper und trotz widrigster Umstände in Deutschland landet. Dort ist zwar auch nicht alles eitel Wonne, aber immerhin ist Rasul endlich in einem Land angekommen, in dem keine Diktatur herrscht ("Eigentlich wollte ich nirgends mehr bleiben, wo in den Straßen die Bilder irgendwelcher Präsidenten herumhingen").

Rasul studiert Literaturwissenschaft und schreibt eine Autobiographie. Weil er immer wieder an Gedächtnisschwund leidet - die korrekte psychiatrische Diagnose würde wohl Posttraumatische Belastungsstörung lauten - vergisst er zwischendurch, dass er schon etwas geschrieben hat, und als er seinen eigenen Text in einem ICE-Zug findet, kann er sich zunächst nicht erklären, warum ein anderer seine, Rasuls, Lebensgeschichte aufgeschrieben haben soll. Schließlich erinnert ihn seine deutsche Freundin daran, dass er sein Skript einem Verlag zukommen lassen wollte. Das tut Rasul dann auch. Und schließlich landet diese Geschichte in unseren Händen. 

Witz, Lakonie und Selbstironie

So viel zum Plot des Romans "Der falsche Inder." Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt und auch nicht auf eine Weise, die man von "klassischer" Exil-Literatur gewohnt sein mag: melancholisch, erschütternd, verstörend. Nein, der auf Deutsch schreibende irakische Abbas Khider greift zu ganz anderen Stilmitteln, wie etwa Witz, Lakonie und Selbstironie. Verstörend und erschütternd ist weniger sein Roman als die darin beschriebene brutale Realität einer durch und durch korrumpierten Diktatur, und es ist nicht der Protagonist, der melancholisch ist, sondern der Leser wird es, wenn er sich darauf einlässt, einen Blick hinter die coole Fassade Rasuls zu werfen. Denn streckenweise liest sich der Roman zunächst wie der feuchte Tagtraum eines Teenagers ("die Schönste von allen hieß Suad und hatte einen phänomenalen Hintern und einen geradezu göttlichen Busen", um nur eine von den vielen einschlägigen Stellen zu zitieren). Dann wiederum wirft Rasul seine Leichtfertigkeit über Bord und gibt sich voll und ganz Schuldgefühlen hin, so als hätte er alle Schrecken der Welt verursacht ("Wo ich auch hinging, ließ das Unglück nicht lange auf sich warten. Ohne es zu wollen, brachte ich meinen Mitmenschen nur Kummer und Elend"). Eines tut Rasul aber nie: Das Interesse am Leben und an den Frauen verlieren. Was immer passiert, Rasul steht wieder auf und zieht in die nächste Stadt.
Die literarische Gestalt Rasul Hamid (alter ego des Autors?) ist so widersprüchlich wie das Leben selbst. Rasul ist kein Strahlemann und auch kein Opfer, er ist einfach ein Mensch, der versucht, in einer verrückten Welt durchzukommen, ohne einer kruden Ideologie oder Philosophie zu folgen: "Es gab immer Mörder und Retter, Hassende und Liebende. Ich entschied mich aber schon früh, die Welt zu nehmen, wie sie ist."

So muss man den "falschen Inder" auch so nehmen, wie er ist: kurzweilig, lakonisch und tieftraurig.