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Die 25.000 Euro Tagesgage für Daniela Katzenberger sind jeden Cent wert, wenn man Markenbildung und Markenpflege betrachtet.

Foto: EPA/URSULA DUEREN

Wer A sagt, mailte mir ein Leser dieser auf die tatsächlich wichtigen Dinge des Lebens fokussierten Zone, müsse auch B sagen. Und gegebenenfalls C. Ergo, schrieb der gute Mann, erwarte er, dass ich hier nun auch Helden des Trivialfernsehens würdige, die - zumindest in seinen Augen - Robert Nissel und Richard Lugner allemal noch das Wasser reichen könnten: Die Akteure der ATV-Partydokuschiene „Saturday Night Fever". Und natürlich die Königin aller Plattenbau- und Proll-gone-Promi-Prinzessinnen: Daniela Katzenberger.

Sorry: Ich kann nicht. Nicht, weil ich mich dem Fremdschäm-Charme von Molto, Shiva & Co verschließen wollte (oder könnte). Nicht, weil ich nicht fasziniert wäre, wie universell das Wort „Oida" sich in jeder Situation und mit jeder Bedeutung besetzt anwenden lässt. Auch nicht, weil es mir nicht klammheimlich großes Vergnügen bereitet, zu sehen, dass jener Radfahrer-Journalismus, den Frau Spira seit Jahren als Kunst präsentiert, von jedem Kamerateam einfangbar ist, das zuerst anheizt und dann gnadenlos draufhält, sobald Angehörige des Subproletariates der Kombination aus Alkohol, der magischen Wichtigmachkraft einer auf sie gerichteten Kamera und der Aufforderung, die Chance einmal nicht bloß Zuseher zu sein, zu nutzen, erliegen.

Alles gesagt?

Auch nicht, weil ich der Ansicht wäre, dass über Frau Katzenberger schon alles gesagt wurde, was gesagt werden kann - und der Rest einfach fassungsloses Zuschau-Staunen ist. Mitnichten. Sondern einfach, weil ich glaube, dass es zu billig ist, sich mit hochgezogener Augenbraue und süffisantem Lächeln über den - mutmaßlich - sich selbst bloßstellenden White Trash zu mokieren. Denn: Diese Menschen machen alles richtig. Zumindest aus der Perspektive der Markenbildung und Markenpflege.

Frau Katzenberger, um beim prominentesten Beispiel zu bleiben, kassiert schließlich nicht schlecht. Um die 25.000 Euro soll ihre Tagesgage derzeit liegen. Das jedenfalls schnalzte mir eine Redakteurin von Puls4 neulich um die Ohren, als ich dort bei einem Weihnachtsspezialjahresrückblickinterview über die „Natürlich Blond"-Sternschnuppe nur die Nase rümpfte. Und bei allen Zweifeln an der journalistischen Haltbarkeit mancher News aus Wiens Privatfernsehstuben: Auf diesem Terrain sind die Kollegen firm und gut - weil daheim.

Nicht zu viel

Ob 25.000 Euro nicht zuviel seien, fragte mich die Kollegin - und ich verneinte: Wenn jemand bereit ist, dafür, dass Frau Katzenberger mit den Wimpern schlägt, am Buffet sitzt und ihre Brüste in die Kamera hält, soviel Geld hinzulegen, dann verlangt Frau Katzenbergers Manager genau den richtigen Preis. Schließlich wird niemand gezwungen, dieses Produkt zu kaufen. Kein Kind verhungert, weil die Katzenberger es nicht um 1000 Euro, die Hälfte oder 95 Prozent billiger gibt. Und der Werbewert, den ein Auftreten von Frau Katzenberger bei der Firmenweihnachtsfeier oder sonst wo hat, liegt in dem Augenblick über der bezahlten Summe, in dem zwei Zeitungen, drei Radiosender, vier Partyseiten und eineinhalb Fernsehstationen das Ereignis zur Kenntnis nehmen - und der Gastgeber vorkommt. (Er kommt vor. Immer.)

Das gleiche - wenn auch in anderen Dimensionen - gilt längst auch für die Samstagnachtkinder auf ATV. Für Herrn Nissel sowieso: Sie alle haben es geschafft, ihr Gesicht zur Marke und sich selbst zum Geschäftsmodell zu machen. Und dass es dafür einen Markt gibt, beweisen weniger die TV-Plattformen, von denen aus diese Karrieren starteten, als die Zweit-, Dritt- und Viertnutzungen des Promi-Marktwertes: Auftritte in Großraumdisco, Auftreten bei Misswahlen, Bändchendurchschneiden bei Friseursalonopenings. Und spätestens nach der vierten Einladung bemerkt jeder Ex-Nobody, dass es dafür mehr geben kann als Ego-Boosting per Blitzlicht und VIP-Zonen-Zutritt.

Ob das ein tristes Glück, wertloser Ruhm und zweifelhafte Lorbeeren sind, steht dabei nicht zur Debatte. Fakt ist: Es funktioniert. Es zahlt sich aus. Man ist kein Niemand mehr - und in einer Zeit, in der sogar Feuilletonredakteure eine Stunde lang angeregt argumentieren und debattieren können, wieso Paris Hilton irrelevant ist, bevor ihnen aufgeht, dass sie damit gerade bewiesen haben, dass dem nicht so ist - eben weil jeder so ziemlich alles über diese Menschen weiß oder mitbekommt -, ist genau das, worauf es ankommt. Weil es alle wollen: Zur Marke werden nämlich. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 22.11.2010)