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Luxusriese LVMH mit Marken wie Louis Vuitton war über Jahre auf aggressiver Einkaufstour. Jetzt wollen die Franzosen auch Hermès einsacken.

Foto: AP; Montage: Ladstätter

Die Nobelmarke Hermès ficht einen Abwehrkampf gegen den weltgrößten Luxuskonzern LVMH. Die Franzosen erhalten dabei Hilfe von einem anderen Riesen: Richemont. Auch dieser will nur edle Absichten haben.

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Paris - "Schockierend" findet es Johann Rupert, dass man ihm irgendwelche Übernahmepläne unterstellt. "Schockierend und selbstverständlich völlig falsch." Das schreibt der Vorsteher der Richemont-Gruppe in einem Brief an seinen großen Rivalen, LVMH-Chef Bernard Arnault. Dieser hat vor einem Monat auf diskrete Weise 17 Prozent der französischen Nobelmarke Hermès (Seidentücher, Handtaschen) ergattert. Seither läuten die Alarmglocken in der Luxusbranche, vor allem bei der Erbenfamilie Hermès, bei der nach eigener Darstellung "ein Besucher im Garten steht".

Und was für einer: Nimmersatt Arnault hat sein Vermögen von 21 Milliarden Euro - das ihn zum reichsten Franzosen macht - vor allem mit dem aggressiven Zusammenkauf von Luxusmarken zum Konzern Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH, 17 Mrd. Euro Umsatz) gemacht. Seinen Einstieg bei Hermès durch die Hintertür - seine firmeneigenen Investmentfonds in Panama und Luxemburg handelten getrennt und kaschiert - begründete er mit seinem "Patriotismus": Als guter Franzose schütze er das Pariser Haus nur vor der Übernahme durch chinesische Investoren oder die Schweizer Richemont.

Letztere lässt das nicht auf sich sitzen. Im Unterschied zu LVMH habe sein Unternehmen "noch nie einen feindlichen Übernahmeversuch lanciert", stellt Rupert klar. Richemont wahre vielmehr "die Kultur und Identität" seiner Marken wie Cartier, Montblanc oder Van Cleef & Arpels. Dieser Hinweis auf seine französischen Marken (5,4 Mrd. Euro Umsatz) ist ein kollegialer Tritt ans Schienbein von Arnault, dem viele vorwerfen, er ertränke seine Marken in dem LVMH-Konglomerat und suche lieber den schnellen Profit als die Wahrung der Markentradition.

Die Hermès-Familie bläst ins gleiche Horn: Während Louis Vuitton Lederwaren weitgehend maschinell herstellt, wird eine Handtasche ihres 1837 gegründeten Konzerns noch heute von Hand zusammengenäht. Der von den Erben betonte Unterschied zu Arnault betrifft aber mehr die Geschäftskultur als den privaten Lebensstandard: Ein Mitglied der 60-köpfigen Hermès-Sippschaft leitete kürzlich den Internationalen Polo-Verband, ein anderes lud 450 Gäste im Charterflugzeug zu seiner Hochzeit nach Marrakesch.

Arnault krebste gestern, Montag, zurück und ließ verlauten, er habe nur von "Gerüchten" über ein mögliches Übernahmemanöver von Richemont gesprochen. Immerhin, so gab er den Tritt zurück, habe der Schweizer Konzern auch schon Kapitalanteile von Hermès aufgekauft. Rupert gibt zu, sein Unternehmen habe vor Jahren "einige Aktien" von Hermès besessen, aber "nie mehr als zwei Millionen". Und diesen Kapitalanteil von bloß zwei Prozent habe Richemont 2006 wieder verkauft. Hermès sei ein "befreundetes" Unternehmen, gegen das er keine Übernahmeschlacht lanciere.

Erbietet sich Richemont dafür als rettende Hand gegen das "böse Imperium", wie das US-Magazin Newsweek LVMH nennt, an? Auch das steht gemäß Rupert nicht zur Debatte. An der Pariser Börse kursieren derzeit eher Gerüchte, dass Hermès seine Kapitalstruktur ändern könnte, um den Familienanteil von 73 Prozent am Hermès-Kapital abzusichern. Die Rede ist auch von der Erhöhung der Dividende, der Bildung einer nichtbörsennotierten Familienholding oder einer Kapitalerhöhung zugunsten der Hermès-Mitarbeiter, was den LVMH-Anteil schrumpfen lassen würde. Arnault wird sich nicht so schnell austricksen lassen. Der Handtaschenkrieg hat erst begonnen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2010)