Verteidiger Stefan Traxler (links) und Hauptangeklagter Martin Balluch (rechts) kamen der verdeckten Ermittlerin durch ein ihnen zugespieltes Observierungsprotokoll auf die Spur.

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Wiener Neustadt/Wien - Richterin Sonja Arleth ist "erschüttert". Die "Art und Weise", ja, die "Wortwahl", mit der zwei Boulevardzeitungen vergangene Woche über jene verdeckte Ermittlerin der Soko Tierschutz berichteten, die 16 Monate den Kern der Tierschutzszene ausspähte, sei für sie "bestürzend". "Der Druck auf diese Journalisten muss immens sein", vermutete sie am 53. Verhandlungstag gegen 13 Aktivisten wegen Mafiaverdachts am Landesgericht Wiener Neustadt.

Doch Arleth war auch "neugierig", und zwar über die marktschreierischen Artikel hinaus, die von einer "Sexspionin" und ihren angeblich freimütigen Praktiken im Kontakt mit dem Zweitangeklagten Felix H. ("Sie griff mir zwischen die Beine") erzählen. Dem Antrag aller fünf Verteidiger, die mysteriöse Dame als Zeugin vor Gericht zu laden, stimmte sie nach nur halbstündiger Nachdenkpause zu. Die Einvernahme der "mit Legende" - konkret mit falschem Namen und ebensolcher, später wieder getilgten Sozialversicherungsnummer - ausgestatteten Polizistin werde sie "tunlichst noch im Dezember ansetzen", verkündete sie.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Befragung der Frau, die sich "Danielle Durand" nannte und die an etlichen Demonstrationen vor Kleider-Bauer-Filialen, an Tierrechtsworkshops und internen Besprechungen teilnahm, wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Denn die Beamtin soll tunlichst nicht enttarnt werden, um für weitere Einsätze zur Verfügung zu stehen. Darum sei sie von deren Einsatzleiter ersucht worden, erläuterte Arleth.

Dass von "Danielle Durand" kein Wort in den Akten steht, die die Beschuldigten bisher einsehen durften, kommentierte die Vorsitzende nicht. Tatsächlich waren Angeklagte und Verteidiger dem weiblichen Polizeispitzel erst vor drei Wochen durch ein zugespieltes Observierungsprotokoll auf die Spur gekommen und hatten daraufhin einen Privatdetektiv beauftragt. Dieser fand heraus, dass "Danielle Durand" offiziell im Zweithaus ihres Einsatzleiters in der Steiermark gemeldet war - und dass sich ihre Spur nach September 2008 verliert.

Davor habe "Durand" ihren "Mitstreitern" unter anderem zu Verschlüsselung von Computerdateien zugeraten, berichtete VGT-Obmann und Hauptangeklagter Martin Balluch am Rande der Verhandlung. In der Anklageschrift wird dies als Hinweis auf die Existenz einer mafiösen, kriminellen Vereinigung gewertet: ein Zusammenhang, der Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz "höchst problematisch" erscheint.

"Illegale Handlungen"

Im Grunde, so Pilz, stelle sich die Frage, ob "Danielle Durand" im Zuge ihrer verdeckten Ermittlungen auch illegale Handlungen begangen habe: "Es gibt Hinweise, dass es so war."

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ausspähseinsatzes meldet aber auch der Verfassungsrechtler Bern-Christian Funk an. Seit Anfang 2008 und Inkrafttreten der Strafprozessordnungsnovelle müsse der Auftrag für derlei Maßnahmen von der ermittelnden Staatsanwaltschaft kommen; ein solcher Auftrag für 2008 war von den Soko-Ermittlern vor Gericht ausgeschlossen worden. Laut Sicherheitspolizeigesetz wiederum dürften verdeckt nur "Auskünfte eingeholt" werden. Weniger, als "Danielle Durand" angeblich tat. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 22.11.2010)