Rom - Das Buch mit den bereits im Vorfeld intensiv diskutierten Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zu Kondomen wird am Dienstag in Rom präsentiert. Der Interviewband des deutschen Publizisten Peter Seewald trägt den Titel „Licht der Welt. Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit" und erscheint offiziell am Mittwoch.

Benedikt erklärt darin in einem Nebensatz, im Einzelfall, etwa bei Prostituierten, könne die Nutzung von Kondomen ein erster Schritt zu mehr Verantwortlichkeit und eine moralischere Haltung sein. Medien und Hilfsorganisationen werteten das als „sensationellen Kurswechsel" und interpretierten die Aussagen als eine „Lockerung des Kondomverbots" der Kirche. Der Vatikan erklärte, es handle sich „nicht um eine Revolution". „Der Papst hat eine außergewöhnliche Situation betrachtet, in der das Ausüben von Sexualität eine wahre Gefahr für das Leben des Anderen darstellt", erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Die katholische Kirche vertrete weiterhin die Auffassung, dass die Aids-Problematik nicht mit Kondomen zu lösen sei.

Auch andere heiß diskutierte Themen werden in den Papstinterviews angeschnitten. So spricht der Papst über den sexuellen Missbrauch durch Geistliche oder die Exkommunikation des Bischofs Richard Williamson. Auch die seit Jahren umstrittene Seligsprechung Papst Pius XII., jenem Papst, dessen Rolle im Zweiten Weltkrieg umstritten ist, wird thematisiert. Weitere Theme, die in dem Buch behandelt werden:

Sieht Benedikt insgesamt Änderungsbedarf bei der katholischen Sexualmoral?

Der Papst lässt klar erkennen, dass er weiß, dass ein Großteil der Katholiken die Vorgaben ihrer Kirche nicht praktiziert, weshalb er Reformbedarf sieht: "Das ist ein großes Problemfeld. (...) Dass vieles in diesem Bereich neu bedacht, neu ausgesagt werden muss, ist richtig."

Will der Papst den Zölibat für Priester lockern?

Benedikt hat zur Kenntnis genommen, dass inzwischen auch Bischöfe über eine Abschaffung des Zölibats nachdenken - er schlägt aber stattdessen zur Stärkung des Zölibats alternative Lebensformen wie Wohngemeinschaften von Priestern vor. "Dass Bischöfe in der Verwirrung der Zeit auch darüber nachdenken, kann ich schon verstehen. (...) Es ist wichtig, dass die Priester nicht irgendwo isoliert leben, sondern in kleinen Gemeinschaften beieinander sind (...).

Hält Benedikt weibliche Priester in der katholischen Kirche für denkbar?

Eindeutig nein. Hier sieht er die Entscheidung dadurch gefallen, dass Jesus zwölf Männer zu seinen Jüngern machte. "Die Formulierung von Johannes Paul II. ist sehr wichtig: Die Kirche hat 'keinerlei Vollmacht', Frauen zu weihen. Es ist nicht so, dass wir sagen, wir mögen nicht, sondern: wir können nicht."

Anerkennt die katholische Kirche bald homosexuelle Partnerschaften?

Der Papst spricht davon, dass auch Schwule und Lesben Achtung und Respekt verdienen - mehr aber nicht: "Der Sinn der Sexualität ist, Mann und Frau zueinander zu führen und damit der Menschheit Nachkommenschaft, Kinder, Zukunft zu geben (...). Alles andere ist gegen den inneren Sinn von Sexualität. Daran müssen wir festhalten, auch wenn es der Zeit nicht gefällt."

Akzeptiert Benedikt denn homosexuelle Priester?

Dies tut er ebenfalls nicht. "Homosexualität ist mit dem Priesterberuf nicht vereinbar. (...) Die Auslese der Priesterkandidaten muss deshalb sehr sorgsam sein."

Wie bewertet der Papst den Stand der Ökumene?

Benedikt sieht viele Fortschritte bei den Orthodoxen - ganz gegenteilig entwickelt sich seiner Meinung nach das Verhältnis zur evangelischen Kirche. "Man muss tatsächlich feststellen, dass der Protestantismus Schritte getan hat, die ihn eher von uns entfernen; mit der Frauenordination, der Akzeptanz homosexueller Partnerschaften und dergleichen mehr."

Sucht Benedikt die Konfrontation oder die Annäherung mit dem Islam?

Seine Regensburger Rede über Gewalt im Islam, die ihm im Jahr 2006 weltweit Kritik und Proteste einbrachte, sieht Benedikt heute als Beginn eines intensiven Dialogs. "Es wurde deutlich, dass der Islam im öffentlichen Dialog zwei Fragen klären muss, nämlich die Fragen seines Verhältnisses zur Gewalt und zur Vernunft."

Sieht er Fehler im Vatikan im Zusammenhang mit den deutschen Missbrauchsfällen?

Benedikt hält die angesichts der früher bekanntgewordenen Missbrauchsfälle in den USA verschärften Normen des Vatikan für richtig. "Ob es dann Aufgabe Roms gewesen wäre, allen Ländern eigens zu sagen: Schaut, ob es auch bei euch so ist? Vielleicht hätten wir das tun sollen."

Wie empfindet der Papst das Verhältnis zu seinem Heimatland?

"Dass es im katholischen Deutschland eine beträchtliche Schicht gibt, die sozusagen darauf wartet, auf den Papst einschlagen zu können, ist eine Tatsache und gehört zu der Gestalt des Katholizismus in unserer Zeit."

Kann der 83-Jährige sich einen Rücktritt aus Altersgründen vorstellen?

Falls die Gebrechen zu schwerwiegend werden - ja: "Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht zurückzutreten.

(red, APA)