ModeratorIn: Lieber Herr Rünstler, danke, dass Sie zu uns gekommen sind. Liebe UserInnen wir freuen uns auf eine anregende Diskussion und spannende Fragen

Gerhard Rünstler: Danke für die Einladung. Ich freue mich auf eine spannende Diskussion.

sepperl gorge: Herr Rünstler, warum denken Sie das Europa Irland wirklich so zu diesem Rettungsfond gedrängt hat?

Gerhard Rünstler: Weil die Verbindlichkeiten der irischen Banken zu einem großen Teil von englischen und deutschen Banken gehalten werden.

UserInnenfrage per Mail: Es wurde wiederholt eine Zweiteilung der Eurozone in die "Tüchtigen" und die "Untüchtigen" gefordert. Wäre es nicht angesichts der rigiden Sparprogramme, die die Geldgeber Irland und Griechenland aufzwingen tatsächlich für die Genesung dieser Länder

Gerhard Rünstler: Es ist sicher so, dass eine Abwertung diesen Ländern beim Wirtschaftswachstum helfen würde. Nur haben sie im Moment so hohe Auslandsschulden, dass ein Ausscheiden ohne teilweise Umschuldung fast nicht möglich ist. Denn durch die Abwertung steigen diese Schulden dann in der heimischen Währung an.

Der Unbekannte: Dieses Szenario kann in Simulationen vorausgesehen werden. Warum wurde vor Einführung des Euro nicht genau über auftretende Szenarien diskutiert bzw. nachgedacht ?

Gerhard Rünstler: Leute, mein Kompliment, das sind sehr gute Fragen. Das Thema ist schon diskutiert worden. Ein Ergebnis war der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Man hat nur leider übersehen, dass man auch auf die Wettbewerbsfähigkeit besser achten muss. Es zeigt sich jetzt auch, dass eine Währungsunion eine bessere Koordination der Fiskalpolitik braucht. Es hat vor 10 Jahren durchaus Warnungen vor Ungleichgewichten gegeben, aber der Euro hat eben auch viele Vorteile, deswegen hat man ihn auch eingeführt.

Albert Egger: Worauf müssten sich die Euro-Mitgliedsländer politisch einigen, damit solche bail outs (welche angeblich laut Lissabon Vertrag nicht erlaubt sind) nicht notwendig sind?

Gerhard Rünstler: In Zeiten wie diesen, kann man bail outs nicht ganz vermeiden. In den USA z.B. stehen einige Bundesstaaten (Californien, Illionis) knapp vor dem Konkurs und da springt die Regierung ein.

Themroc: Das Risiko, das geschaffene Geld nicht wieder einsammeln zu können ist vorhanden – wie groß sehen Sie die Wahrscheinlichkeit einer starken Inflation bzw. was wäre Ihr Negativ-Szenario?

Gerhard Rünstler: Wie gesagt, die jeweils 100 Milliarden für Griechenland und Irland sind insgesamt gerade mal 2% des EU-BIP. Das Risiko hält sich also in Grenzen. Inflationsrisiko geht eher von den USA aus.

gas karl: Was halten Sie von einem Goldstandard oder Ähnlichem?

Gerhard Rünstler: Wenig. Man soll nicht vergessen, die Zeit des Goldstandards (ungefähr 1870-1930) war voller Finanzkrisen. Die meisten Wirtschaftshistoriker meinen, dass der Goldstandard eine der Hauptursachen dafür war, dass die große Depression in den 30er Jahren so lange gedauert hat. Unter dem Goldstandard haben Zentralbanken nämlich sehr wenige Handlungsfreiräume.

Fritz 1: Ist die hauptsächlich von Deutschland "erzwungene" Finanzhilfe tatsächlich ein Rettungsschirm für deutsche Banken wie in deutschen Medien zu vernehmen ist? Läuft die EU nicht große Gefahr von Deutschland "beherrscht" zu werden.

Gerhard Rünstler: Wurde schon beantwortet.

lalle laller: warum sehen sie ein inflationsrisiko welches aus der usa ausgeht? das durch die notenpresse geschaffene geld kommt ja nicht bei den einzelnen an. im gegenteil: die gehälter werden gekürzt und die leute haben immer weniger geld. logisch betrachtet sc

Gerhard Rünstler: Sagen wir so: Die USA hätten gern e mehr Inflation, um die Auslandsschulden zu verringern und den Druck von den Hausbesitzern zu nehmen. Ob und wie schnell sie das schaffen, ist eine Frage, da stimme ich Ihnen zu.

Dreistein: Die gegenseitige Finanzhilfe - Bail Out Klausel - ist doch definitiv im Vertrag ausgeschlossen. Gibt es denn keine Institution die es der Politik verbietet, diesen Vertrag zu brechen? Warum darf der deutsche Verfassungsgerichtshof zu diesem Thema an

Gerhard Rünstler: Den zweiten Teil kann ich nicht beantworten, weil ich kein Jurist bin. Ich halte die Rettungsschirme für sinnvoll so lange die betroffenen Länder auch selbst entsprechende Reformen setzen. So gesehen bin ich froh, dass man sich nicht an den Vertrag hält, es waren ohnehin die Deutschen die dies Klausel wollten und jetzt am stärksten auf die Rettungsschirme drängen.

lamoe: Ich hätte eine Frage bezüglich eines anderen Themas. Halten Sie es für eine wirkungsvolle Art des Protestes gegen das ausufernde Bankwesen, wenn Bürger sich organisieren und im großen Stil, ihr gesamtes Geld von den Banken abzuziehen? Wie es von www

Gerhard Rünstler: Wirkungsvoll wäre es sicher, weil es dann die Banken nicht mehr gibt. Ob es klug ist, ist eine andere Frage.

Chocoholic: Aus Ihrer Antwort weiter oben ist ersichtlich, dass eine Rueckkehr der ueblicherweise vor Euro Einfuehrung durch hohe Inflation korrigierte Laender zu ihrer eigenen Waehrung (oder low value Euro II) eine Loesung waere, die aber durch die hohen Euro

Gerhard Rünstler: Es werden ihnen nicht noch mehr Schulden umgehängt. Die Rettungsschirme bestehen aus Garantien und Finanzierungen, die verhindern sollen, dass noch mehr Unsicherheit entsteht, Geld aus diesen Ländern abgezogen wird, und die Zinsen steigen. Man schuldet die Länder um, aber man erhöht nicht ihre Schulden. Ganz im Gegenteil: die Rettungsschirme dienen ja auch als Druckmittel für Sparmaßnahmen (Griechenland).

GreX78: Leuten wie Paul Krugman werden die Rettungspakete nie groß genug sein, wie können Sie so etwas nur glauben. Ich meine wenn 2 Billionen Dollar nichts genutzt haben warum sollten dann weiter 900 Milliarden den erwünschten "Aufschwung" bringen? Im Ende

Gerhard Rünstler: Ich bin bei Ihnen. Wenn man übertreibt erzeugt man nur neue Blasen. Die emerging markets beschweren sich ja schon über die lockere amerikanische Geldpolitik. Was man aber machen sollte ist, das Bankensystem zu stabilisieren, da muss man halt notleidende Banken rekapitalisieren - das ist ja das Hauptproblem Irlands.

lelalom: Warum gibt es noch immer nicht die Möglichkeit, Banken abzuwickeln, wenn sie in Schieflage kommen?

Gerhard Rünstler: Man sollte vielleicht eh langsam darüber nachdenken. Die Gefahr eines Flächenbrandes ist halt groß. Deswegen hat man es zu Beginn der Finanzkrise mit aller Gewalt vermieden.

Bailout 2.0: 2 Fragen - moral Hazard - bedeuten die 2 Fälle IE, GR daß bald jeder Staat zunächt schlecht wirtschaftet, da von der EU immer geholfen werden wird? Und daß 2. ein Staat, der Steuern erhöht um das Budget zu stabilisieren, wie zB Österreich in diesem

Gerhard Rünstler: 1. Die Gefahr besteht. Deswegen wird ja Finanzhilfe immer mit Auflagen verbunden. Sicher wird man sich für die Zeit nach der Krise überlegen müssen wie man solche Dinge besser handhaben kann. 2. Die Probleme waren ja im Jahr 2006-2007 nicht unbedingt zu sehen. Spanien und Irland hatten Budgetüberschüsse. Nachträglich betrachtet, kann man die Ökonomen schon dafür kritisieren, dass sie die Immobilienblasen nicht als Gefahr gesehen haben. Aber rein vom Staatsbudget her, kann man diesen beiden Ländern nichts vorwerfen. (Den Griechen natürlich ihren Schwindel vorwerfen.)

nonpostingnick: WArum haben die USA bzw. der US-Dollar nicht das gleiche Problem wie der Euroraum? Unterschiedliche Wettbewerbsstärken zwischen den einzelnen Bundesstaaten gibt es dort auch und die können ebenfalls nicht die Währung abwerten

Gerhard Rünstler: Sehr gute Frage. Ich habe nur eine vorläufige Antwort. 1. gibt es in den USA einen Finanzausgleich zwischen den Staaten. 2. sind die Leute in den USA mobiler. Wenn es also in einem Bundesstaat schlecht läuft, wandern sie aus. Die mangelnde Mobilität in der Eurozone war übrigens einer der Punkte der vor Einführung der Eurozone diskutiert worden ist.

die dudeheit: Was halten Sie von der Behauptung, dass unser derzeitiges Geldsystem mit Zins und Zinseszinsein expotentielles Wachstum braucht, dieses über langen Zeitraum (ausser vielleicht temporär durch diverse Blasen) nicht erreichbar ist und daher zusammenbre

Gerhard Rünstler: Ich kann ehrlich gesagt mit dieser These nicht viel anfangen. Die USA haben in den letzten 10 Jahren tatsächlich über ihre Verhältnisse gelebt, aber es gibt viele andere Beispiele wo es nicht so war. Das ist eine sehr fundamentale Frage, die wir lange diskutieren müssten.

UserInnenfrage per Mail: Warum haben die Stresstests so gar nichts davon gezeigt, was jetzt in Irland los war? Sind die Stresstests sinnlos?

Gerhard Rünstler: Die Stresstests sind von einigen als zu milde kritisiert worden. Die anglo-irish Bank war z.B. gar nicht dabei. Die Iren konnten die Banken die im Stresstest dabei waren selbst aussuchen und haben argumentiert, dass die anglo-irish Bank schon verstaatlicht und deshalb kein Risiko mehr sei. Sie haben da wohl auch etwas geschwindelt und man kann nicht ausschließen, dass andere Staaten das auch so gemacht haben.

mindovermoney: Gibt es beim wifo Experten die sich mit durchdachten Alternativen zum derzeitigen Bankensystem/Währungssystem/Zinssystem beschäftigen oder glauben noch alle daran dass diese Form der Kapitalallokation auf ewig gut gehen wird?

Gerhard Rünstler: Ich darf Sie an Stephan Schulmeister verweisen. Er hat sich z.B. viel mit der Finanztransaktionssteuer beschäftigt. Vielleicht lesen Sie eines seiner working papers www.wifo.ac.at

Dreistein: Es ist doch absehbar, dass die betroffenen Staaten kein rigoroses Sparprogramm durchstehen können - ohne dass die Wirtschaft nicht völlig zusammenbricht. Eine Rückzahlung ist daher so gut wie ausgeschlossen. In Wahrheit aber handelt es sich doch um

Gerhard Rünstler: Man darf durchaus überlegen, dass die Gläubigerbanken auch ihren Beitrag leisten. Was Irland betrifft, stimme ich Ihnen bezüglich Sparwillen nicht zu. Die Iren haben im letzten Jahr ein Sparpaket von 5% des BIP durchgebracht und das ohne größere Proteste. Sie sind halt eine Gesellschaft mit sehr großen Zusammenhalt und hart im nehmen. Bei den südlichen Ländern ist es sicherlich nicht so klar, ob die Regierungen mit den Sparpaketen durchkommen werden.

CrangerMan: Wenn jetzt gespart wird, ist es nicht schädlich für die Entwicklung der europäischen BIP?

Gerhard Rünstler: Sicher kurzfristig sinkt das BIP-Wachstum. Das Problem ist nur, wenn die Schulden zu hoch werden, dann kann das langfristig Wachstum kosten - es ist kein Geld mehr da für Bildung, Infrastrukturinvestitionen,... Die Ökonomen schätzen, dass ab Staatsschulden von 90-100% des BIP solche negativen Effekte zum tragen kommen, und all zu weit sind wir nicht mehr davon entfernt.

maxfax: Sollte Ihrer Meinung nach das Kartellrecht dahingehend geändert werden, daß es nicht mehr zu "too-big-to-fail" Situationen kommen kann - bezogen auf alle Wirtschaftszweig, insbesondere aber Banken?

Gerhard Rünstler: Bei Banken, ja.

GreX78: Welche Schule der Volkswirtschaft bzw. Denkrichtung würden Sie sich zuordnen?

Gerhard Rünstler: Neo-Keynesianismus (Stiglitz, Krugman) glaubt nicht an das perfekte Funktionieren der Märkte, meint aber, dass man langfristig denken sollte.

CrangerMan: Bei der Sache, die gerade vorgeht, ist auch viel Psychologie dabei. Wie kann dafür vorgesorgt werden, dass die Meldungen über den (Finanz-)Markt ein ausgeglichenes, differenziertes Stimmungsbild zeigen

Gerhard Rünstler: Das müssen die Medien beantworten. Bad news ist good news: dieses Prinzip wird von den Medien auch in diesem Fall beherzigt. Wir Wirtschaftsforscher dürfen dann sagen, dass alles nicht so schlimm ist.

Aux armes, citoyens: Inwieweit sehen Sie die drohende Gefahr einer Währungsreform in Europa? Und wie könnte diese Reform umgesetzt werden?

Gerhard Rünstler: Ich sehe keine Währungsreform kommen. Meinen Sie, dass der Euro ersetzt wird? Das sehe ich überhaupt nicht. Dass eines der Problemländer über kurz oder lang aus dem Euro ausscheidet, ist grundsätzlich denkbar. Die europäische Zentralbank steht nicht so schlecht da. Sie haben zwar den Banken viel Geld geborgt, können das aber rasch zurückholen. Inflationsgefahr in Europa sehe ich nicht.

CrangerMan: Würde die Harmonisierung von Steuersystemen, die ja immer wieder nebenbei genannt wird, dem Wirtschaftsstandort Österreich schaden?

Gerhard Rünstler: Ich denke, nein. Es geht ja hauptsächlich um Unternehmenssteuern, da sind wir nicht so weit vom europäischen Mittelfeld entfernt, meines Wissens. Die aktuelle Debatte dreht sich um Irland, das eine sehr niedrige Körperschaftssteuer hat. Das hat auf Österreich so oder so keine Auswirkungen.

Josef Malik: Wenn auch Spanien, Portugal und Italien Finanzhilfe benötigen sollten, könnte der Euro-Rettungschirm nicht mehr ausreichen. Was geschieht in diesem Fall?

Gerhard Rünstler: Wenn Russland und China gemeinsam marschieren, muss Österreich kapitulieren (Georg Kreisler). In diesem Fall (Spanien UND Italien) würden diese Länder Zahlungsausgleich durchführen müssen, also einen Teil der Schulden nicht zurückzahlen. Das wäre teuer. Solche Fälle sind in der Wirtschaftsgeschichte oft vorgekommen. Natürlich verlieren viele Leute Geld dadurch, vor allem Spanier und Italiener, und deswegen ist es auch nicht sehr wahrscheinlich.

Cara3: Was soll man mit Sparbüchern machen? Belassen? Auflösen und Geld unter den Polster? Gold kaufen?

Gerhard Rünstler: Belassen. Wenn man sich Sorgen macht, kann man das Geld ja auf mehrere Banken aufteilen. Meine Oma hatte die Wirtschaftskrise in den 30er Jahren erlebt und war bis zum Ende ihres Lebens nicht dazu zu bewegen ihr Geld auf die Bank zu tragen.

CrangerMan: Wie lange wird es den Euro noch geben?

Gerhard Rünstler: So lange wie die Europäische Union, der Euro ist nämlich ganz wesentlich dafür. Ich glaube, es wird ihn noch lange geben.

Moderator-Message: Liebe Herr Rünstler liebe UserInnen, danke für die interessante Diskussion - viele Fragen müssen leider auch heute wieder unbeantwortet bleiben. Allen noch einen schönen Tag. Vielen Dank auch von mir, hat mir viel Spaß gemacht ergänzt Gerhard Rünstl

Moderator: Liebe Herr Rünstler liebe UserInnen, danke für die interessante Diskussion - viele Fragen müssen leider auch heute wieder unbeantwortet bleiben. Allen noch einen schönen Tag. Vielen Dank auch von mir, hat mir viel Spaß gemacht ergänzt Gerhard Rünstler. Ich fand die vielen kompetenten Fragen sehr anregend.