Der Bestand an Wiener Zinshäusern geht weiterhin zurück.

Foto: Putschögl

Wien - Die Nachfrage nach Zinshäusern in Wien wird bis Jahresende einen neuen Höhepunkt erreichen und das Marktvolumen für das Gesamtjahr 2010 damit auf ein Rekordhoch treiben - das ist der Sukkus des aktuellen Wiener Zinshaus-Marktberichts von EHL Immobilien.

Der ebenfalls kürzlich präsentierte Herbstbericht zum Wiener Zinshausmarkt von Otto Immobilien erzählt allerdings eine etwas andere Geschichte. Zwar ist hier ebenfalls von einer sich "dramatisch zuspitzenden Lage" die Rede, weil die Nachfrage deutlich das Angebot übertreffe. Die Umsätze sind aber - zumindest im ersten Halbjahr 2010 - gerade wegen des knappen Angebots gesunken, und zwar von 340 Millionen Euro (1. HJ 2009) auf 249 Millionen Euro - also mehr als ein Viertel weniger. Nach Transaktionen betrachtet, beträgt das Minus allerdings nur 13 Prozent.

Dank eines starken zweiten Halbjahres mit einem Umsatz von 615 Millionen Euro und dank eines gewissen "Nachlaufs" (Anm.: erst später im Grundbuch ersichtliche Transaktionen) wurde im Vorjahr die Umsatz-Milliarde noch erreicht. Eine derartige Aufholjagd sei auch heuer durchaus noch realistisch, denn "Herbstzeit ist Zinshauszeit", so die Experten von Otto Immobilien. Und immerhin bleibe der Zinshausmarkt "das mit Abstand aktivste Element am heimischen Immobilienmarkt", betont Unternehmenschef Eugen Otto.

Asset oder Share Deal

Bei EHL Immobilien erwartet man gemäß dem am Dienstag vorgestellten Zinshaus-Marktbericht, dass die Umsätze im Gesamtjahr um ein Viertel zulegen, und zwar von 1,5 Mrd. Euro 2009 auf 1,8 Milliarden Euro. Der Unterschied zum Otto-Marktbericht: EHL zählt sowohl "Asset Deals" als auch "Share Deals". Bei Ersteren wird die Immobilie selbst verkauft (was eine Änderung im Grundbuch zur Folge hat), bei Letzteren "nur" die Eigentümergesellschaft - mitsamt der Immobilie, aber ohne Grundbuchänderung.

Zu einem Zuwachs der "Share Deals" habe vor allem die Verlagerung des Marktgeschehens hin zu großen Objekten geführt, heißt es bei EHL Immobilien. Die Zahl der Verkäufe blieb weitgehend stabil, die Transaktionsgröße hingegen stieg deutlich. Dieser Trend dürfte sich noch fortsetzen, so EHL-Experte Franz Pöltl. "Wir registrieren derzeit nochmals einen Anstieg der ohnehin bereits sehr starken Nachfrage, da viele Investoren ihre Transaktionen noch vor dem Jahreswechsel abschließen wollen."

2011 werde sich der Markt aber stabilisieren, "da der immer stärker spürbare Mangel an auf den Markt kommenden Objekten ein weiteres Wachstum hemmt". Das in den vergangenen beiden Jahren um durchschnittlich fünf bis 15 Prozent gestiegene Preisniveau werde sich allenfalls noch leicht erhöhen, das Transaktionsvolumen werde voraussichtlich etwas zurückgehen, da der anhaltend starken Nachfrage kein ausreichend großes Angebot gegenüberstehen dürfte.

Sicherheit nicht mehr so wichtig

"Der Aufwärtstrend des Marktes war vor allem von der Suche der Investoren nach Sicherheit getrieben", erklärt Pöltl. "Mit der einsetzenden Erholung der Wirtschaft bekommen Zinshäuser nun auch wieder stärkere Konkurrenz durch andere Veranlagungsmöglichkeiten, und das könnte zu einer Abflachung der Wachstumskurve führen."

"2011 wird sicher das Jahr der aktiven Investoren werden", so Pöltl - und diese dürften wegen des hohen Preisniveaus verstärkt auf Alternativen zum klassischen "Kaufen und Vermieten"-Konzept setzen. Vor allem parifizierte Objekte dürften in Form von Eigentumswohnungen verstärkt abverkauft werden, aber auch eine "aktive Bewirtschaftung" von Objekten, also Wertsteigerungen durch "Verbesserungen der Vermietungsstruktur", dürften verstärkt durchgeführt werden.

Preise steigen, Renditen sinken

Bei Otto Immobilien, wo nur Grundbuch-Deals in den Marktbericht einflossen, sieht man den 1. Bezirk als Umsatzverlierer - mangels Angebots. Im 1. Halbjahr 2010 gingen hier die Umsätze gegenüber dem 1. Halbjahr 2009 um 70 Prozent zurück. Auch die Bezirke fünf, sechs und sieben sind im Umsatzranking deutlich zurückgefallen. Spitzenreiter sind so wie in den Vorperioden die Bezirke 3 bis 7, als "Aufsteiger" werden auch Ottakring und Hernals genannt. "Sie weisen sowohl die meisten Transaktionen als auch einen deutlichen Zuwachs an Volumen zum Vergleichszeitraum des Vorjahres auf", so der Otto-Marktbericht.

Leichte Verschiebungen beobachtet man auch in der Struktur der Marktteilnehmer: "Während Private vermehrt auf der Verkäuferseite auftreten - sie machen einen Anteil von rund zwei Drittel der Verkäufer aus -, ist nur knapp jeder zweite Käufer eine Privatperson."

Je Stadtrand desto günstiger

Unangefochtener Spitzenreiter bei den Quadratmeterpreisen ist laut Otto Immobilien weiterhin die Innere Stadt mit einer durchschnittlichen Preisspanne von 3.200 bis 5.100 Euro. Auch die Bezirke 2 bis 7 liegen bei den Quadratmeterpreisen weiterhin auf den Spitzenplätzen - hier sind auch die Renditen ein wenig gesunken. Am günstigsten kauft man weiterhin in den Bezirken 10 und 11 sowie 21 und 22, wo auch die höchsten Renditen erzielt werden.

Als neue Hotspots sieht der Zinshaus-Marktbericht von Otto Immobilien den dritten Bezirk, vor allem rund um den Rochusmarkt und das Freihausviertel in der Wieden. "Einige Wohnbauprojekte haben diesen Gebieten neuen Aufschwung gegeben. Märkte wie insbesondere der Naschmarkt und der Karmelitermarkt sind nach wie vor sehr beliebt und ziehen Investoren fast magisch an", erklärt Richard Buxbaum, Leiter der Abteilung für Wohnimmobilien und Zinshäuser. Viel Potenzial sieht er auch im Gebiet zwischen Nußdorferstraße und Franz-Josefs-Bahnhof sowie im Lichtental, das zwischen Servitenviertel und Lichtenwerderplatz liegt.

Zahl der Gründerzeithäuser sinkt weiter

Der Bestand an Wiener Zinshäusern nimmt weiterhin ab. "Während im Herbst 2009 noch 15.529 klassische Gründerzeit-Zinshäuser gezählt wurden, sind es jetzt nur mehr rund 15.400", so die Studien-Autorin Angelika Rischka. Als Gründerzeit-Zinshäuser im engeren Sinn definiert Otto Immobilien jene Gebäude, die in den Jahren 1848 bis 1918 im Stil des Historismus (mit den entsprechenden Stilelementen, wie gegliederter Fassade etc.) in geschlossener Bauweise errichtet wurden, die keine Sondernutzung haben (z.B. öffentliche Gebäude) und an denen kein Wohnungseigentum begründet wurde. (map, derStandard.at, 23.11.2010)