Wer sich gegen Grippe impfen will, könnte sich bald die Spritze ersparen - zumindest wenn es nach der Wiener Biotech-Schmiede Avir Green Hills Biotechnology geht. Das Unternehmen arbeitet an einem Influenzaimpfstoff, der bequem per Nasenspray verabreicht werden kann und auch sonst einige Vorteile hat.

"Die Verabreichung eines Grippeimpfstoffs über die Nase statt als Injektion hat den ganz entscheidenden Vorteil, dass der Impfschutz genau dort stimuliert wird, wo das Virus in den Körper eindringt. Deshalb ist auch ein besonders hoher Schutz gegeben", sagt der Virologe Thomas Muster, Vorstand des Unternehmens.

Demnächst will Avir Green Hills einen saisonalen Impfstoff, der sich aus drei von der WHO definierten Virenstämmen zusammensetzt, in klinischen Studien in Russland und in Wien testen und den Nasenspray der Zulassung einen Schritt näher bringen. Die Forscher setzen dabei auf eine Technologie, die auf der Ausschaltung des NS1-Proteins in Grippeviren beruht. Dieses macht das körpereigene Abwehrsystem unschädlich und ermöglicht erst eine Verbreitung des Virus.

Der Impfstoff selbst wird in Zellkultur produziert - anstatt mithilfe von Hühnereiern - und besteht aus einem genetisch modifizierten Influenzavirus, aus dem das NS1-Protein entfernt wurde. Das bewirkt, dass das Virus keine Krankheit auslösen kann, aber dennoch die Produktion von Antikörpern anregt. Der neue Impfstoff sei besonders effektiv, da er auch einen Schutz gegen bereits veränderte Virenstämme biete, heißt es. "Die aktuellen Daten aus den bereits abgeschlossenen klinischen Studien bestätigen, dass unser Impfstoff sicher ist und eine verlässliche Immunreaktion bewirkt", berichtet Muster.

Saisonale Grippeopfer

In Österreich betrifft die saisonale Influenza jährlich etwa fünf bis zehn Prozent der Erwachsenen und bis zu 15 Prozent der Kinder. Die Autoren des Österreichischen Impfplans schätzen die jährliche influenzabedingte Übersterblichkeit auf mehr als 1000 Personen. Weil besonders ältere Menschen gefährdet sind, startet im Frühjahr 2011 eine zusätzliche Untersuchung, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Impfstoffs bei Menschen über 65 Jahren prüfen soll.

Die Wiener Biotechnologen strecken die Fühler auch nach Asien aus: Nach eigenen Angaben laufen derzeit Verhandlungen mit chinesischen und indischen Partnern über die jeweils nationalen Verwertungsrechte des Nasensprays. Das Marktpotenzial ist groß: In China etwa werden derzeit bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen nur rund 40 Millionen Dosen Influenzaimpfstoff pro Jahr verabreicht.

Mit Erfolg abgeschlossen wurde ein EU-gefördertes Projekt (FLUVACC) zur Entwicklung eines nasalen Influenzaimpfstoffs, der gegen verschiedene Influenzastämme wirken soll. Frisches Geld kommt auch aus einer Förderung der Forschungsförderungsgesellschaft FFG in Höhe von 1,6 Mio. Euro. Bis 2012 sollen die Phase-II-Tests abgeschlossen werden. Dann will Avir Green Hills den Nasenspray-Impfstoff entweder verkaufen oder an die Börse gehen. (kri, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. November 2010)