Christoph Guger träumt von Computerchips im Gehirn.

Foto: g.tec

Eine Art Badehaube mit Löchern, ein Laptop, ein paar Kabel, ein Interface und genügend Konzentration: Das sind die Voraussetzungen, um allein mit Gedanken zu kommunizieren, ein E-Mail zu schreiben, den Fernseher einzuschalten oder einen Roboter mit Befehlen zu füttern - ganz ohne Maus oder Tastatur.

"Das System intendiX hilft vor allem Menschen mit Locked-in-Syndrom, die bei intaktem Bewusstsein vollständig gelähmt sind, oder Menschen mit ALS, einer Degeneration des motorischen Nervensystems", sagt der 37-jährige Biomedizintechniker Christoph Guger. Brain-Computer-Interfaces, also direkte Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer, sind die gefragte Spezialität seiner Firma g.tec, die er 1999 gemeinsam mit seinem Studienfreund Günter Edlinger als Spin-off der TU Graz gründete.

Guger und sein Team entwickeln Hard- und Software, die Biosignale verstärken und in Echtzeit analysieren. Dabei werden Gehirnströme per Elektroenzephalografie (EEG) gemessen und in Steuersignale umgewandelt. indendiX, das im vergangenem Jahr die Forschungslabors von g.tec verließ, in alle Welt verkauft wird und zuletzt mit dem Microsoft Innovation Award 2010 ausgezeichnet wurde, ermöglicht so etwas wie Gedankenübertragung: Allein durch mentale Vorstellungskraft können Buchstaben und Symbole auf einem Computerbildschirm ausgewählt werden.

"Mit Telepathie hat das gar nichts zu tun", betont Guger. "Die Konzentration auf ein bestimmtes Zeichen bewirkt einen elektrischen Impuls im Gehirn, sobald es am Monitor aufflackert." Die Technologie steht auch auf einer Forschungsplattform für Wissenschafter zur Verfügung, was zu einer ständigen Weiterentwicklung beiträgt. g.tec ist mittlerweile Partner in elf EU-Projekten, und Christoph Guger reist von einer Konferenz zur nächsten, um seine Gedankenexperimente vorzustellen.

Begonnen hat alles während eines Auslandssemesters in Baltimore, USA. Dort hörte er, dass just an seiner Uni, der TU Graz, wo er nach der Elektrotechnik-HTL Biomedical Engineering studierte, eines der drei weltweiten Zentren für Brain-Computer-Interaction liegt. "Das ist wohl typisch österreichisch, dass man ins Ausland muss, um zu erfahren, was daheim cool ist", stellt Guger fest.

Also verlegte er seinen Fokus auf dieses Gebiet. Es machte sich bezahlt: Schon während der Doktorarbeit fragte die britische Top-Uni Cambridge an, ob sie das Echtzeit-EEG-System kaufen könne. Das daraufhin gegründete Unternehmen schrieb von Beginn an schwarze Zahlen, hat heute mehr als 30 Mitarbeiter und zwei Standorte, in Graz und in Gugers Heimatort Schiedlberg nahe Linz.

In zahlreichen Forschungsprojekten arbeiten Guger und seine Mitarbeiter an der Weiterentwicklung von EEG-Messungen: etwa zum Brain Mapping, um Gehirnareale zu definieren, die bei Epilepsiepatienten betroffen sind. Oder um die Bewegungen von Computer-Avataren per Gedanken zu steuern. Bei Ratten ist es schon gelungen, mit einem Computerchip die Konditionierungsfunktionen des Kleinhirns zu ersetzen, erzählt Guger. Seine Zukunftsvision: "Dass alles implantierbar wird." Sprich, dass ins Gehirn implantierte Chips Hirnströme nutzen, um Türen zu öffnen und den Haushalt zu schupfen - ganz bequem, mit der Macht des Denkens. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. November 2010)