Häufig auftretendes Massensterben machten die Honigbiene in den letzten Jahren zum Sorgenkind, zumal man bei der Ursachensuche vielfach im Dunkeln tappt. Wie es zum Beispiel zum Colony Collapse Disorder, einem Zusammenbruch ganzer Bienenvölker, kommt, ist bis heute ungeklärt. Doch es gibt auch weniger bekannte Krankheiten, die unserem liebsten Insekt den Garaus machen können. Eine davon ist die Amerikanische Faulbrut. In Graz arbeitet man derzeit an Möglichkeiten, diese Gefahr zu bannen.
Amerikanische Faulbrut entsteht durch eine Infektion mit dem Bakterium Paenibacillus larvae. Der Erreger tritt dabei in zwei Formen auf: als Stäbchen, die sich rapid vermehren, aber nicht zur Ansteckung führen, und als ovale Sporen, die nicht nur hochinfektiös sind, sondern auch außergewöhnlich widerstandsfähig gegen Hitze, Licht und Chemikalien. Damit nicht genug, bleiben sie auch jahrelang keimfähig.
Die Aufnahme der Sporen erfolgt mit der Nahrung. Im Mitteldarm der Larven werden aus den Sporen Stäbchen, die durch die Darmwand in den Körper dringen, wo sie sich vermehren und letztlich zum Tod des Wirts führen. Das Bemerkenswerte dabei: Die Krankheit befällt nur Larven, erwachsene Bienen sind immun.
Arbeiterinnen können also unbeschadet die keimfähigen Sporen im Verdauungstrakt und am Haarkleid tragen und sie beim Füttern an die Larven weitergeben. Meist bemerkt der Imker den Befall erst, wenn die Krankheit bereits weit fortgeschritten ist.
In den meisten Ländern Europas ist der Einsatz von Antibiotika verboten, um deren Anreicherung im Honig auszuschließen. Stattdessen wird der ganze Stock verbrannt. Staaten, die Antibiotika-Verwendung erlauben, wie etwa die USA oder China, kämpfen im Gegenzug mit resistenten Bakterienstämmen.
Ulrike Riessberger-Gallé vom Institut für Zoologie in Graz und ihre Kollegen fanden heraus, dass sich aus dem Mitteldarm erwachsener Bienen ein Extrakt erzeugen lässt, das sowohl die Keimung der Sporen als auch die Vermehrung der Stäbchen unterdrückt. Auch aus zwei bis vier Tage alten Larven lässt sich ein solches Extrakt gewinnen, wohingegen fünf Tage alte Larven dieses Phänomen kaum noch zeigen. Die Gründe sind noch unklar - allerdings werden die Larven am fünften Tag mit einem Deckel in ihrer Zelle eingeschlossen und brauchen von da an kein Abwehrsystem gegen äußere Einflüsse mehr. Ungeklärt ist jedoch, ob ein einziger Wirkstoff für die Krankheitshemmung verantwortlich ist oder ein Gemisch von mehreren Substanzen.
Substanz gewinnen
Im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts versuchen Riessberger-Gallé und ihre Mitarbeiter nun, die krankheitshemmende Substanz bzw. Substanzengruppe in Reinform zu gewinnen. Auch die dafür verantwortlichen Gene sollen identifiziert werden. Was die Grazer Physiologen jetzt schon wissen: Der gesuchte Stoff ist extrem unempfindlich gegen hohe Temperatur. Sie setzten das Mitteldarmextrakt der Arbeiterinnen eine Viertelstunde lang 125 Grad Celsius aus - und es entfaltete danach noch immer 60 Prozent seiner Wirkung gegen das Wachstum der Bakterien. Sicher ist auch, dass es sich nicht um eine Immun-Antwort auf eine auftretende Infektion handelt, sondern um etwas, das quasi zur Grundausstattung der Tiere gehört: Die Bienen, aus deren Darm das Extrakt gewonnen wurde, waren noch nie mit Amerikanischer Faulbrut in Kontakt gekommen.
Sollte es den Grazer Biologen gelingen, eine aktive hemmende Substanz zu isolieren, wollen sie Larven mit dem Faulbruterreger infizieren und ihnen gleichzeitig das Mittel verfüttern. Das ist in der Praxis nicht so einfach, wie es klingt - vor allem, weil Bienenlarven nicht selbstständig Nahrung aufnehmen, sondern von Arbeiterinnen von Mund zu Mund gefüttert werden. Riessberger-Gallé befasst sich jedoch seit einiger Zeit erfolgreich mit der Handaufzucht von Bienen im Labor. Der ursprüngliche Ansatz war dabei, die Wirkung von Pestiziden auf Bienen genauer zu untersuchen, als das mit herkömmlichen Methoden möglich war. Durch das Aufziehen der Larven mit der Hand können die Entwicklung bis zur erwachsenen Biene und die Sterblichkeit der Larven individuell verfolgt werden. Und eben auch - wenn es so weit ist - die Wirkung eines Anti-Faulbrut-Stoffes. (Susanne Strnadl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. November 2010)