Das iranische Atomprogramm hat nicht nur zu einer Gleichgewichtsstörung im Nahen Osten und der Golfregion geführt, sondern auch äußerst kritische Sicherheitsfragen aufgeworfen. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre und die gegenwärtige iranische Nuklearpolitik sprechen nicht für einen (baldigen) Gesinnungswechsel. Kürzlich bewies Teheran durch den wiederholten Aufschub von Gesprächen mit den P5 + 1 (den ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates plus Deutschland) erneut, dass die Islamische Republik die absolute Kontrolle über ihre nuklearen Bestrebungen hat.

Und der Westen unterwirft sich abermals der iranischen Vorstellung von Diplomatie, die darin besteht, auf der einen Seite Offenheit gegenüber neuen Verhandlungen anzubieten, um sogleich auf der anderen Seite festzuhalten, dass es ohnedies nichts zu verhandeln gibt. Und Europa schluckt die iranische Nichteinhaltung ganz ohne Proteste. Österreich, seit 1995 Mitglied der Europäischen Union, ist da keine Ausnahme. Das Land ist zwar klein und zählt nicht gerade zu jenen Nationen in Schlüsselpositionen hinsichtlich Verhandlungen mit dem Iran, doch seit Österreich zu einem nicht permanenten Mitglied des UNO-Sicherheitsrates gewählt wurde hat Wien durchaus an Bedeutung gewonnen.

Österreich hat den Ruf nachgiebig gegenüber dem Iran zu sein. Und das vor allem seit es sich im Jahre 2008 mit Italien zusammenschloss, um eine Gruppe innerhalb der Europäischen Union anzuführen, die sich gegen weiteren Druck und zusätzliche Maßnahmen vis à vis der Islamischen Republik aussprach. Die USA, Großbritannien und Frankreich haben sich bereits über die "lasche" Haltung Wiens beschwert. Seitdem nimmt der auf Österreich ausgeübte Druck zu.

Kürzlich erklärte ein in Wien stationierter Diplomat: "Es ist typisch für Wien nicht zu genau hinzusehen und zuzulassen, dass die Angelegenheiten weiter laufen, so lange für Österreich nichts auf dem Spiel steht. Wien ist das schwache Glied, wenn es um Sanktionen geht." Es gibt rund 680 österreichische Unternehmen, die geschäftliche Beziehungen zu iranischen Firmen oder dem iranischen Staat unterhalten. Etwa 35 österreichische Firmen besitzen Zweigstellen im Iran; weitere 500 Unternehmen machen gelegentlich Geschäfte mit der Islamischen Republik. Heute sprechen nur wenige offen über ihr Engagement im Iran. Im Jahre 2006 ging der Präsident der iranischen Handelskammer, Ali-Naqi Khamoushi, sogar so weit, zu behaupten: "Österreich ist für uns das Tor in die Europäische Union." Im Zuge der weltweiten Finanzkrise gingen die österreichischen Exporte im vergangenen Jahr um 20 Prozent zurück. Einzig die Exporte in den Iran verzeichneten einen Zuwachs von sechs Prozent.

Darüber hinaus verwandelt sich Wien immer mehr in eine Hochburg für die iranische Quds- Einheit - eine elitäre Brigade der islamischen Revolutionsgarde. Da sich das Hauptquartier der OPEC, der Organisation der Erdöl exportierenden Länder, in Wien befindet, steht Österreich bereits seit langem im Mittelpunkt verdeckter iranischer Aktivitäten. Quds-Agenten kaufen nach Angaben von Experten Equipment und Technologien mit mehrfachem Verwendungszweck ein, die wiederum als Bestandteile für die Entwicklung iranischer Atomwaffen eingesetzt und verwendet werden können. Die österreichischen Behörden weigern sich allerdings in dieser Sache mit den entsprechenden Geheimdiensten zusammenzuarbeiten.

Schon bald wird sich die internationale Gemeinschaft einem Dilemma gegenüber sehen, das sich aus einem dieser Szenarien zusammensetzt: Entweder es erfolgt ein Militärschlag gegen den Iran bevor dieser eine Atombombe produzieren oder in den Besitz der erforderlichen Bestandteile gelangt, um eine solche Waffe zu bauen; oder der Westen lernt mit einer iranischen Bombe zu leben. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Iran auf Diplomatie ohne Vorbedingungen nicht reagiert. Welches vernünftige Land würde nicht die Position des Westens einnehmen und härtere Maßnahmen fordern?

Während sich ranghohe britische, französische und deutsche Politiker wiederholt für neue Sanktionen gegen den Iran aussprechen, hüllt sich Österreich gekonnt in Schweigen. In den vergangenen Jahren trug Österreich mehrfach dazu bei, den Iran vor einer internationalen Isolation zu bewahren und legte sich bei der Durchführung von Maßnahmen, die auf die Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlage der Ayatollah-Diktatur und der der Revolutionsgarde ausgerichtet waren, quer.

Österreich muss auf den Zug aufspringen und erkennen, dass harte Maßnahmen gegen die Islamische Republik funktionieren können und notwendig sind. Wenn Sanktionen rigoros implementiert und durchgesetzt werden, könnte Österreich helfen zu verhindern, dass der Iran in den Besitz einer Bombe gerät. Klingt doch nach einem erstrebenswerten Zug. (derStandard.at, 24.11.2010)