Wien - Sie versuchen regelmäßig in der Bundespolitik mitzumischen - und wenn der Obmann im fernen Wien zu wenig auf sie hört, lassen sie ihn notfalls über die Klinge springen: Von jeher eilt den schwarzen Landeshauptleuten dieser beunruhigende Ruf voraus - und auch im Streit über die Hoheit der Pädagogen, im Zuge dessen sich Josef Pröll bedingungslos an die Seite der vier schwarzen Landesfürsten von Vorarlberg, Tirol, Oberösterreich und Niederösterreich gestellt hat, drängt sich einmal mehr die Frage auf: Kann es sich ein ÖVP-Chef überhaupt erlauben, beim Regieren den Willen seiner Landeshauptleute zu ignorieren?

Der Politologe Fritz Plasser gibt darauf eine eindeutige Antwort: "Nein, kann er nicht." Denn: "Hierzulande ist in keiner Partei der Machtförderalismus so stark ausgeprägt wie in der ÖVP."

Sowohl strukturell als auch organisatorisch haben die ÖVP-Landeshauptleute einige Hebel, um auf den Parteichef Druck auszuüben. Sie sitzen im Präsidium, wo wichtige innerparteiliche Beschlüsse abgesegnet werden. Sie können in einem Nationalratswahlkampf der Bundespartei jegliche Unterstützung verweigern - mit schlimmen Folgen. Und sie entsenden nach geschlagener Wahl in den Nationalrat wie in den Bundesrat ihre Gewährsleute, um auf die bundesweite Gesetzgebung Einfluss auszuüben - oder um diese, falls nötig, unter ihrer Kontrolle zu halten.

Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamentarismus und einst Direktor des Parlamentsklubs der ÖVP, rechnet vor, wie sich die Machtverhältnisse dort derzeit gestalten: Von den 51 ÖVP-Abgeordneten sind bloß acht über die Bundesliste ins Hohe Haus gewählt worden, 14 über Landeslisten, 29 über Direktmandate in ihrem Wahlkreis. Zögernitz: "Ergibt bei der Mandatsverteilung also ein Verhältnis von 8 zu 43 zugunsten der Länder." Diese Abgeordneten können es sich nicht leisten, gegen die Linie ihrer Provinzchefs aufzubegehren - denn wer sich erst einmal den Ruf einer "unguided missile" erwirbt, wird ganz sicher nicht mehr als Kandidat aufgestellt.

Auch bei der Bestellung von Regierungsmitgliedern haben die Landeshauptleute ein gewichtiges Wort mitzureden. Bei der Kür eines neuen Obmannes sowieso. Nicht umsonst nennen sich die LHs gern "Königsmacher". Oder bei Bedarf dann halt: "Königsmörder". (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.11.2010)