Hässlich und bissig, trotzdem mitleiderregend: Die Zombies in "The Walking Dead" sind Kulisse ...

TWD productions LLC Courtesy of AMC

... für Extremsituationen: Auch in der Comicvorlage von Robert Kirkman und Tony Moore sieht sich Serienheld Rick damit konfrontiert.

Foto: Amigo
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Wien - Die erste Szene aus "The Walking Dead" erinnert an ein berühmtes Vorbild: ein Polizeiauto mitten im Nirgendwo, wolkenverhangener Himmel, endlose Wälder - genauer: fantastische Douglastannen! Wer noch Hinweise braucht: Der Deputy streift um ein verlassenes Fahrzeug, sichert einen möglichen Tatort ab. Er sieht das Mädchen erst, als es von ihm weggeht und ruft: "Hey, Mädchen!" Noch bevor sich die Kleine umdreht, wissen wir: Die Dinge sind nicht, was sie scheinen.

Das sind aber auch schon alle Gemeinsamkeiten mit "Twin Peaks". In dem Moment, in dem wir in das verweste Zombiegesicht sehen, sind die Unklarheiten beseitigt: Hier regiert nicht das Unbewusste, sondern das Untote. "The Walking Dead" von Frank Darabont (The Green Mile) ist der jüngste Serienhit aus den USA. Der Sender AMC schaffte damit den erfolgreichsten Kabelstart des Jahres. Der Hype um die Zombies war so groß, dass noch vor Ausstrahlung der ersten Folge die Fortsetzung geordert wurde. Vorlage ist die seit 2004 erscheinende gleichnamige Comicreihe von Robert Kirkman und Tony Moore. Seit 2006 werden die Bücher auf Deutsch verlegt. Inzwischen gibt es 13 Teile.

Die TV-Serie wartet für Zuschauer im deutschsprachigen Raum mit einem Novum auf, das Fernsehjunkies reizen könnte: Fast zeitgleich mit der US-Ausstrahlung laufen die Folgen nahezu ident sonntags auf dem Abokanal Fox im Angebot von Sky. Der Seriensender profitiert von der Koproduktion zwischen den Sendern AMC und Fox International Channel.

Weltweiter TV-Start

"Es war eine international akkordierte Aktion", sagt Mirjam Laux, Chefin der News Corp-Tochter Fox Channels Germany zum Standard. Das Dachunternehmen ist Pay-TV-Betreiber und versorgt die Sender international. In Programme zu investieren sei der Anfang einer längerfristigen Strategie, sagt Laux: Für die Zukunft plane man zwei bis drei Koproduktionen pro Jahr: "Wir wollen möglichst nahe am US-Start sein, damit die Piraten weniger werden." Zumindest im Abofernsehen entsteht Synchronizität, in Zeiten der Digitalisierung ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Free TV: Echte TV-Junkies wollen nicht auf den regulären TV-Start warten. Sie decken sich entweder mit DVDs ein oder verschaffen sich die Serie im Web. Vorteile liegen auch in der Rechtelage: Fox International sicherte sich die Ausstrahlung auf allen Plattformen.

AMC festigt mit den Untoten seine Position als innovativster Bezahlsender neben HBO: Nach "Breaking Bad" und "Mad Men" sorgt er für eine weitere Bereicherung im neuen "goldenen Zeitalter des Fernsehens". Eine US-Version der dänischen Kommissarin Lund ist außerdem in Arbeit.

Heimat für "Losties"

"The Walking Dead" hat das Zeug, neue Heimat für die nach dem Serienfinale von "Lost" unglücklichen Losties zu werden. Wie bei den Inselbewohnern ergibt sich früh eine Konstellation, in der die Gruppe sowohl Geborgenheit als auch Gefahr birgt. Und wie in Lost sorgt ein bedrohliches Umfeld für gruppendynamische Extremsituationen. Ein Camp außerhalb der Stadt dient als Kulisse dafür: Der Cop Rick (Andrew Lincoln) schafft es nach überstandenen Zombieangriffen, Frau und Kind (Sarah Wayne Callies, Chandler Riggs) wiederzufinden. Sie hat sich bereits mit Ricks bestem Freund (Jon Bernthal) getröstet. Vom Rassisten bis zum kühnen Asiaten, vom wortkargen Realisten bis zum naiven Dicken und zu einer Handvoll mehr sind ausreichend Prototypen vertreten, um das ganze Spektrum menschlicher Grundstimmungen abzuhandeln: Nichts Unmenschliches ist ihnen schließlich fremd.

Die bissfreudigen Untoten geraten daneben zu beinahe mitleiderregenden Randfiguren, die als nur schwer auszulöschende Mahnmale nicht mehr wiedergutzumachender Zivilisationsschäden schlurfend, röchelnd, keuchend vor allem zur Verrohung der Sitten im Camp beitragen. Die Zombie-Ausschaltung verlangt nämlich einige Härte: Nur die Zerstörung mitten im Gehirn bringt beiderseitige Erlösung. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 26.11.2010)