Berlin Mitte bei Nacht. Die zunehmende Lichtverschmutzung bedroht laut einer Studie die natürlichen biologische Vielfalt - und zwar nicht nur in der Stadt sondern auch in ländlichen Gegenden.

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Berlin - Zahlreiche Tierarten sind nachtaktiv, weil sie im Schutz der Dunkelheit vor ihren Feinden sicherer sind als am Tag. Die Nacht hat vermutlich bei der Artentwicklung in fast allen Wirbeltierklassen eine große Bedeutung als ökologische Nische. Durch künstliche Beleuchtung ist diese Nische zunehmend bedroht, wie nun deutsche Wissenschafter in einer in Trends in Ecology and Evolution veröffentlichten Studie nachweisen konnten.

Zu Zeiten der Dinosaurier war das Leben tagsüber äußerst gefährlich, was schließlich dazu führte, dass viele der frühen Säugetierarten dazu übergingen, die Nacht zum Tag zu machen. Erst nach dem Aussterben der großen Reptilien wurde die "Tagesnische" sicherer und es entwickelten sich mehr und mehr tagaktive Säugetiere. Dennoch sind erstaunlich viele Arten auch heute noch nachtaktiv: Rund 30 Prozent aller Wirbeltiere und mehr als 60 Prozent aller Wirbellosen nutzen die Nacht für ihre Aktivitäten.

Nächtliche Vergangenheit

Wissenschafter des Berliner Leibniz-Institutes für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigen in ihrer Studie, dass vermutlich in fast allen Wirbeltierklassen die Nacht bei der Artentwicklung eine große Bedeutung als ökologische Nische gehabt haben dürfte. Aber genau diese Nische könnte zukünftig durch die Zunahme der künstlichen Beleuchtung bedroht sein.

Der nächtliche Himmel Deutschlands wird durch einen mehr als fünfprozentigen Zuwachs an künstlicher Beleuchtung jedes Jahr heller. Dadurch haben sich die Lichtimmissionen der urbanen, periurbanen und ruralen Nachtlandschaften sowohl quantitativ als auch qualitativ grundlegend verändert. Das Zuviel an künstlichem Licht mit negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt wird mittlerweile unter dem Begriff "Lichtverschmutzung" zusammengefasst.

Abnahme der biologischen Vielfalt

Je nach Lichtstärke, Farbspektrum sowie Zeitpunkt und Dauer der Beleuchtung kann dann jede einzelne künstliche Lichtquelle mitunter negative Folgen auf lichtsensible - zumeist nachtaktive - Organismen haben. Die Forscher gehen davon aus, dass es deshalb bereits zu einer Verschiebung und Abnahme der natürlichen biologischen Vielfalt gekommen ist.

Aber auch evolutionäre Folgen der rapiden Veränderung der Nachtlandschaft auf Organismen sind zu erwarten: Zwar wird es in urbanen Zentren zukünftig viele lichtsensible Arten nicht mehr geben, aber einige Arten werden sich möglicherweise evolutionär an die neue Lichtsituation anpassen - oder haben es bereits getan. Auch Ökosystemdienstleistungen können durch Lichtverschmutzung beeinflusst werden. Neben kulturellen Werten zählen dazu unter anderem die Bestäubung von Kultur- und Naturpflanzen durch Nachtfalter sowie die Veränderung von Nahrungsnetzen und damit der Produktivität des Systems. (red)