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Die Euro-Länder wollen Portugal unter den Rettungsschirm drängen, um zu vermeiden, dass Spanien baden geht.

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Berlin/München/Madrid – Gerüchte, wonach die EU Portugal zum Sprung unter den Rettungsschirm der Euro-Länder drängen will, machen die Runde und versetzen die Märkte in Nervosität. Einem Bericht der Financial Times Deutschland (FTD) zufolge will eine Mehrheit der Euro-Länder und die Europäische Zentralbank (EZB) das Land dazu bringen, einen Antrag auf EU-Hilfe zu stellen. Portugals Banken seien zwar nicht so hoch verschuldet wie die irischen Finanzinstitute, aber derzeit offenbar bei ihren Geschäften ebenfalls auf Geld der EZB angewiesen, so die FTD weiter.

Dem Blatt zufolge wollen die Europäer durch ihren Druck auf die Regierung in Lissabon Spanien vor einer Rettungsaktion bewahren. "Wenn Portugal den Schirm nutzen würde, wäre das für Spanien gut, weil das Land in Portugal stark engagiert ist", zitiert die Zeitung aus Kreisen des deutschen Finanzministeriums.

In dieselbe Kerbe schlägt auch Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek im Ö1-Mittagsjournal am Freitag. Der Schritt unter den Schutzschirm wäre für Portugal "nur logisch", schon dieses Wochenende könnten dafür entscheidende Schritte beschlossen werden. Hilfe für Portugal wäre "eine große Beruhigungspille" zur Entspannung der Situation Spaniens.

"Kein Druck auf Portugal"

Dementis aus mehreren Richtungen folgten am Freitag auf dem Fuß. Nach Ansicht der EU-Kommission gebe es keinen Druck auf Portugal. Das Land habe adäquate Schritte eingeleitet, um seine Haushaltsprobleme zu lösen, sagte ein Kommissionssprecher am Freitag. "Mir sind keine Gespräche bekannt, die Druck auf Portugal ausüben sollen, um EU-Hilfen zu akzeptieren", sagte er. Die Situation Portugals sei nicht mit der Irlands zu vergleichen. Irland hatte nach langem Hin und Her um Hilfen der EU gebeten.

Auch das deutsche Finanzministerium betont, dass die Regierung keinen Druck auf Portugal ausübe, europäische Finanzhilfen in Anspruch zu nehmen. "Druck auszuüben ist kein Mechanismus, den der Rettungsschirm vorsieht", sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag.

Portugal hat am Freitag ebenfalls reagiert und den Bericht der FTD zurückgewiesen: "Dieser Artikel ist vollkommen falsch, er ist ohne Grundlage", sagte ein Regierungssprecher. Portugals Ministerpräsident Jose Socrates hat wiederholt betont, sein Land beabsichtige keinen Antrag für eine Rettungsaktion. Spanien übt Regierungskreisen zufolge keinen Druck auf Portugal aus, europäische Finanzhilfen in Anspruch zu nehmen. "Spanien will, dass Portugal seinen Haushalt verabschiedet und sein Stabilitätsprogramm erfüllt", sagte ein Vertreter der Regierung in Madrid. Das Parlament in Lissabon verabschiedete heute ein hartes Sparprogramm. Das Land will sein Defizit im kommenden Jahr auf 4,3 Prozent des BIP verringern. Für heuer wird eine Neuverschuldung von 7,3 Prozent erwartet.

"Irland-Krise nicht so schlimm"

Unterdessen ist die Irland-Krise nach den Worten von ifo-Präsident Hans Werner Sinn nicht so dramatisch wie dargestellt. "Die Lage ist überhaupt nicht so schlimm, wie getan wird", sagte der Ökonom der "Welt". Die Probleme der deutschen Banken im Fall Irland würden überdramatisiert: "Es wird immer von 130 Milliarden Euro geredet; so hoch seien die Forderungen der deutschen Banken, die angeblich gefährdet sind. Davon sind aber 100 Milliarden Euro Forderungen der Banken gegenüber ihren eigenen Zweckgesellschaften, die in Irland sitzen." Diese hätten ihr Geld in der weiten Welt investiert und mit den irischen Problemen nichts zu tun.

Sinn erwartet, dass Irland in der Lage sein wird, seine Haushaltsprobleme aus eigener Kraft zu lösen. "Irland hat eine starke Wirtschaft. Die irische Wirtschaftsleistung pro Kopf ist fast 20 Prozent höher als die deutsche; selbst jetzt, nachdem die irische Wirtschaft eingebrochen ist", betonte er. Er empfahl der irischen Regierung die Steuersätze zu erhöhen: "Hätten sie unsere Abgabenquote, die immerhin um elf Prozentpunkte höher ist, würden sie im Geld schwimmen. Sie hätten jedes Jahr 17 Milliarden Euro mehr im Staatssäckel."

Sinn erwartet, dass die Schuldenprobleme den Euro-Raum nachhaltig verändern werden: "Es wird den Euro in zehn Jahren noch geben", erklärte er. Vermutlich werde Griechenland dann aber nicht mehr dabei sein, ob Portugal dann noch dabei sein werde, wisse er nicht.

Schäuble gegen Aufstockung des Rettungsschirms

Die Idee, den Euro-Rettungsschirm auf 1,5 Billionen Euro aufzustocken, sorgt beim deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble für wenig Gegenliebe. "Ich halte von den Forderungen gar nichts", sagte Schäuble am Freitag im Bayerischen Rundfunk. Der aktuelle Umfang des Rettungsschirms von 750 Mrd. Euro sei ausreichend: "Wir haben ja das Instrument, um Krisen in der Eurozone zu bewältigen, daran wird im Falle Irland ja auch intensiv gearbeitet."

Die Forderungen nach einer Erhöhung des Rettungsschirms erklärte der CDU-Politiker mit der aktuellen Nervosität. "Es wird derzeit unheimlich viel spekuliert, und da gewinnen auch ganz abseitige Äußerungen plötzlich eine Bedeutung und verunsichern die Märkte, und das schafft zusätzliche Unruhe." Er äußerte die Hoffnung, dass es im Falle Irlands bis Anfang kommender Woche die notwendigen Entscheidungen gebe, "damit wieder Ruhe in die Märkte einkehrt und damit diese völlig übertriebenen Spekulationen auch beendet werden".

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung schlägt das Hamburgische WeltWirtschafts-Institut (HWWI) eine Erhöhung des Garantierahmens um 500 Mrd. Euro auf 1,25 Bill. Euro vor. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, hält demnach sogar eine Verdoppelung auf 1,5 Bill. Euro für vorstellbar. Bundesbank-Chef Axel Weber hatte am Donnerstag erklärt, im äußersten Notfall könne der 750 Mrd. Euro schwere Rettungsschirm aufgestockt werden.

Pröll-Sprecher: Kein Vorschlag zur Ausweitung

Der Sprecher von Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), Harald Waiglein, sagte am Freitag, es gebe "keinen Vorschlag für eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirm, der jemals auf europäischer Ebene diskutiert wurde". Es gebe auch keine Erfordernisse dafür, weil der Rettungsschirm genügend ausgestattet sei.

In Bezug auf Portugal sagte Waiglein: "Jedes Land, welches die Erfordernisse erfüllt, kann einen Antrag auf Hilfe stellen."

Angespannte Lage am Anleihenmarkt

Die Lage am Markt für europäische Staatsanleihen hat sich währenddessen weiter verschlechtert. Vor allem die Risikoaufschläge für spanische Staatstitel legten am Freitag zu und erreichten neue Rekordstände. Auch in Portugal, Italien und Irland kletterten die Renditen. Als Grund nannten Händler zunehmende Skepsis darüber, ob das Volumen des 750 Mrd. Euro schweren Rettungsschirms von EU und IWF ausreiche, sollten nach Irland weitere Länder gerettet werden müssen.

Bei allen Laufzeiten legten die Renditen besonders stark in Spanien zu. Am stärksten war der Aufschlag bei zweijährigen Anleihen, wo der Zins um 0,18 Punkte auf 3,54 Prozent stieg. In den längeren Laufzeiten waren die Anstiege schwächer. Die Rendite der zehnjährigen Anleihe liegt dennoch mit rund 5,24 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. In Portugal liegt die Rendite zehnjähriger Anleihen mit 6,85 Prozent noch darüber. Derzeit sind die Renditen nur in Irland (8,77 Prozent) und Griechenland (11,63 Prozent) höher. (APA/Reuters/red)