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Foto: APA/Neubauer

Das ganze Jahr wäre Zeit dafür gewesen; im Juli etwa - wo es so heiß war, dass Finanzminister Pröll ernsthaft über eine Neubewertung der Grundsteuer-Einheitswerte für Bauern reden wollte. Aber nein, ausgerechnet jetzt, wo es richtig kalt wird, sollen wir wieder über die Klimaerwärmung diskutieren. Eine Zumutung!

Wenigstens ist Weihnachten nicht mehr weit. Das wissen wir deshalb, weil uns die Presse-Engel diverser Christbaum-NGOs schon seit Wochen mit Breaking News versorgen. Und so können wir stolz weitergeben, dass ein späterer Christbaum während des Wachsens 70 bis 105 Tonnen Sauerstoff produziert.

Im Gegenzug speichert er jede Menge CO2. Soviel ist unbestritten. Über die richtige Bilanzierung dieses Speichervermögens werden kommende Woche in Cancún allerdings wieder die Klingen gekreuzt. Österreich hat bisher die freiwillige Teilnahme an Artikel 3.4 des Kyoto-Protokolls abgelehnt, der vorsieht, jede Entnahme von Holz als Emission zu werten. Wald ist nämlich in Wahrheit CO2-neutral, weiß man in Österreich: Der gespeicherte Kohlenstoff kommt irgendwann - selbst wenn es eine halbe Ewigkeit dauern sollte! - wieder heraus.

Bis es so weit ist, ist Holz aber "genial", wie wir aus der Werbung wissen. Konkret werden der Luft für ein Kilo Holz 1,44 Kilogramm CO2 entnommen. Bei der Fichte aus dem sicher recht schönen oberösterreichischen Dorf Afiesl, die seit 13. November den Wiener Rathausplatz ziert, sind es genau 8.784 Kilogramm.

Fast neun Tonnen CO2 also, die - und jetzt kommt's! - völlig ungehindert und vorbei an allen Emissionszertifizierern dieser Erde aus der sicher recht fidelen oberösterreichischen Kleinstadt entfernt werden konnten. Falls das Holz der Fichte - und das ist zwar physisch schon, gedanklich aber gar nicht so weit hergeholt - von einem naiven Wiener verbrannt wird, macht er seinen ökologischen Fußabdruck zum Plattfuß einer Öko-Sau! Man wird also sehr genau beobachten müssen, was mit der Umweltbombe aus der schmutzigen Mühlviertel-Metropole nach dem Heiligen Abend passiert.

In diesem Zusammenhang sei aber noch auf einen Umstand aufmerksam gemacht, der ohnehin sämtliche CO2-Emissions-Studien sehr bald zum billigen Geschenkspapier downgraden könnte: der Trend zum Zweitbaum. Der greift nämlich schneller um sich als ein beherzter Christbaumbrand aufs Wohnzimmer. Vier Prozent der Österreicher leisten sich schon einen, oft schon zu Adventbeginn, sehr oft im Freien aufgestellt. "Viele Menschen möchten einfach schon vor dem Heiligen Abend weihnachtliches Flair zu Hause haben", heißt es dazu in einer Aussendung, die uns vor wenigen Monaten erreichte. Erfahrene Landbewohner schätzen die Dinger natürlich, weil sie ihnen schon ab Allerheiligen, wenn es winterzeitbedingt abends zu plötzlicher Dunkelheit kommt, signalisieren: Es sind noch zwei Monate, bis die verdammte finstere Kälte in drei Monaten vorbei ist!

Die Zweitbäume schickt also der Himmel. Darüber hinaus schickt uns die ARGE NÖ Christbaumproduzenten stets um den Advent herum die Information, dass fast jeder zweite heimische Christbaum aus Pröll County stammt. Und wer nun noch immer nicht auf Nadeln sitzt, sollte eins und eins zusammenzählen - und wird zum Schluss kommen, dass hier eines notwendig ist: eine sofortige Verländerung allen heimischen Klimaschutzes! Dann kann Cancún diskutieren, was es will.  (Martin Putschögl, derStandard.at, 26.11.2010)