Budget-Kürzungen treffen auch die Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit: 83 Millionen Euro werden hier künftig eingespart.

Foto: Konrad Edelbacher

Die Plattform "Open 3", die sich für OpenData und Open Government einsetzt, hat die Budget-Kürzungen, unter anderen im Außenministerium, grafisch dargestellt.

Screenshot: http://www.open3.at/sparpaket

"Entwicklung ist ein anderer Name für Frieden", steht im Dreijahresplan der österreichischen Entwicklungspolitik (2009 bis 2011) des Außenministeriums. Keine friedliche Stimmung herrscht allerdings angesichts der in Loipersdorf beschlossenen Budgetkürzungen, die auch das Außenministerium betreffen. So sollen 202 Millionen Euro eingespart werden - Eine Summe, die für große Aufregung sorgt.

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Zahlenstreit

Diese Zahlen "entsprechen überhaupt nicht den Tatsachen und sind völlig aus der Luft gegriffen", meinte dazu der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Wolfgang Schüssel in einer Pressekonferenz Ende Oktober.Tatsächlich würde das Außenamt etwa 80 Millionen Euro einsparen müssen. Doch Schüssel hatte sich geirrt. Tatsächlich werden etwa 202 Millionen im Außenamt eingespart. "Die Zahlen stimmen aber", behauptet auch Schüssels politisches Pendent, Alexander Van der Bellen bei einer Pressekonferenz am Freitag. Er sieht darin einen "Budget-Kahlschlag" der Bundesregierung.

Im Detail sehen die Kürzungen im Außenamt wie folgt aus: Etwa 43 Millionen bei Verwaltungskosten, 34 Millionen bei freiwilligen Beiträgen an die UN-Organisationen (sogenannte multilaterale Beiträge), beinahe 17 Millionen bei internationalen Pflichtbeiträgen, etwa 16 Millionen bei Wechselkursrisiken, acht Millionen bei der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) sowie mehr als eine Million Euro Einsparungen im Ressort Auslandskultur. Der größte Teil - mit 83 Millionen Euro - wird in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) eingespart. 

EZA am stärksten betroffen

Von den Kürzungen in der EZA ist vor allem die Entwicklungsagentur ADA (Austrian Development Agency) betroffen. Sie wurde 2004 gegründet und gilt als Bindeglied zwischen dem Ministerium und den NGOs. Bis 2014 sollen dort laut Van der Bellen etwa ein Drittel des Gesamtbudgets eingespart werden. Konkret hieße dies "ein Mögliches Aus für viele Projekte und Programme vor allem in den ärmsten Entwicklungsländern", heißt es von den Grünen. Außenminister Michael Spindelegger würde "dort ansetzen, wo die Proteste am geringsten ist", behauptet die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Judith Schwendtner am Freitag.

Keine laufenden Projekte wären von den Kürzungen gefährdet, dementiert die ADA im Anschluss die Behauptungen der Grünen.  "Die Austrian Development Agency betont, dass es 2011 zu keiner Kürzung im Bereich der Kofinanzierungen mit Nichtregierungsorganisationen kommen wird. Entgegen den heute in einer Pressekonferenz aufgestellten Behauptungen wird nicht in laufende Verträge eingegriffen. Projekte und Programme, die von der ADA finanziert werden, können wie geplant weitergeführt und zu Ende gebracht werden". Weiters werde klargestellt, dass die ADA nur eine Budget-Kürzung von 10 Prozent zu tragen hätte.

Pharisäerland Österreich

Österreich, das nach dem Zweiten Weltkrieg selbst auf internationale Entwicklungshilfe angewiesen war, würde mit seinen Leistungen in der Entwicklungspolitik nicht glänzen, kritisiert Michael Obrovsky von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) im August im Interview mit dem profil. „Wir sind ein traditionelles Pharisäerland, was die Entwicklungshilfe betrifft, es gibt hier seit vierzig Jahren überhaupt kein Interesse, etwas zu ändern“, sagt Obrovsky.

Vor 30 Jahren hätte Österreich rund 55 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe versprochen – allerdings nicht einmal die Hälfte davon tatsächlich geleistet. Doch im Vergleich zu anderen Ressorts, sehen die Kürzungen im Außenamt weniger bedrohlich aus. So muss beispielsweise das Innenministerium 321 Millionen einsparen. Auch etwa bei der Land- und Forstwirtschaft wird mehr gekürzt, als im Außenministerium.

Millenniumsziele

Im Jahr 2000 stimmte Österreich gemeinsam mit 188 Staatschefs acht Entwicklungszielen zu - den sogenannten "millennium goals". Eines dieser Ziele war die Halbierung von Armut und Hunger bis zum Jahr 2015. Angesichts der Tatsache, dass bis 2010 nur ein Prozent der in extremer Armut lebenden Weltbevölkerung reduziert werden konnte, ist dieses Ziel schwerer zu erreichen, als gedacht.

"Trotz veritabler Fortschritte in der einen oder anderen afrikanischen Region, müssen wir feststellen, dass wir vor allem in Afrika vom Ziel der Armutshalbierung derzeit meilenweit entfernt sind", sagt Philomena Mawuli Johnson, Generalsekretärin der Caritas Ghana in einer Aussendung vom September. Fortschritte gebe es allerdings etwa im Zugang zu elementarer Schulbildung und Aidsmedikamenten, meint Johnson, die auch das Büro der afrikanischen Bischofskonferenz (SECAM) in Ghana leitet.

Negative Prognosen

2005 einigten sich die Mitglieder des OECD-Kommitees zur Entwicklungszusammenarbeit (Development Assistance Committee) - darunter auch Österreich - bis 2010 mindestens 0,51 Prozent des Bruttonationalprodukts für EZA zu leisten. Die UNO rechnet Österreich 2010 allerdings nur mehr wenig Chancen ein, dies zu erreichen. Ein aktueller UN-Bericht hält fest: Bei den Ausgaben für Entwicklungshilfe liegt Österreich mit 0,37 Prozent des Bruttonationalprodukts hinter Frankreich und Deutschland und vor Portugal, Griechenland und Italien.

Enttäuschte Kritik kommt von NGOs, wie etwa CARE: "Unter Abzug der Ausgaben für Flüchtlinge, ausländische StudentInnen und Schuldennachlässe für Entwicklungsländer bleiben in Österreich überhaupt nur 0,25 Prozent des BNE für 'echte' Armutsbekämpfung übrig. Zum Vergleich: Schweden steuert 1,12 Prozent des BNE zur internationalen Armutsbekämpfung bei, Luxemburg 1,01 Prozent und Dänemark 0,88 Prozent", heißt es von Andrea Wagner-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich.

Entwicklungshilfe abschaffen

"Österreich ist ein negativer Katalysator für europäische Entwicklungspolitik", behauptet Petrik-Schweifer, Chef der Caritas-Auslandshilfe, in einer aktuellen Aussendung. Der Leiter der internationalen Hilfe des Roten Kreuz, Max Santner, hält fest:  "Das Image Österreichs in diesen Bereichen ist international fast im Keller. Wir werden als humanitärer Akteur auf europäischer Ebene nicht wahrgenommen". Dem profil sagt Santner: "Aufgrund der Situation muss die Entwicklungspolitik neu definiert werden, um sie strukturell effizienter zu gestalten“. 

"Warum schafft Österreich seine Entwicklungshilfe nicht einfach ab?", fragt der Journalist Gunther Müller in einem profil-Artikel vom August. Das restliche Budget könne man in den heimischen NGOs geben oder der EU. "Das würde der Farce der österreichischen Entwicklungspolitik die Maske nehmen", sagt Otmar Höll, Direktor des Österreichischen Insituts für Internationale Politik, im profil. Dies würde auch eine erhebliche Summe an Verwaltungskosten sparen, die insgesamt bei zwölf Millionen liegen würden und "gemessen am operativen Budget, überproportional groß" wären, schreibt Müller. Als weitere Alternative nennt er die Auslagerung der Gelder an die heimischen NGOs, da diese dann die Verwaltung übernehmen würden.

"Es wird in den kommenden Jahren massiv verstärkter und gezielter Unterstützung bedürfen, damit die Entwicklungsländer die Krise überwinden und die Millenniums-Entwicklungsziele erreicht werden können", kündigt das Außenministerium 2009 für die folgenden drei Jahre an - Versprechen, die angesichts der aktuellen Sparpläne für die Grünen einen Kahlschlag - für die Regierung keinen Widerspruch darstellen. (dan/derStandard.at)