London - In dem Fall eines Hochstaplers, der sich vor der afghanischen Regierung und der NATO als hochrangiger Taliban-Unterhändler ausgab und geheime Versöhnungsgespräche mit Kabul führte, hat der britische Geheimdienst laut Medienberichten eine äußerst unglückliche Rolle gespielt. Wie die britische "The Times" und die amerikanische "Washington Post" am Freitag berichteten, sollen Agenten des MI6 mehrere hunderttausend Dollar an den Mann gezahlt haben, den sie für den Taliban-Kommandanten Mullah Achtar Muhammad Mansur hielten. Mittlerweile stehe fest, dass der Mann entweder ein einfacher Rebellenkämpfer oder ein Händler aus der pakistanischen Stadt Quetta sei.

Nach Informationen der "Times" flog der MI6 den Mann mehrfach zu Treffen nach Kabul. Dabei habe der Mann auch Afghanistans Präsident Hamid Karzai getroffen. "Der britische Geheimdienst war naiv, und bei uns herrschte Wunschdenken", räumte ein hochrangiger afghanischer Regierungsvertreter in der Zeitung ein.

Dummheit braucht Teamwork

Der frühere US-Vertreter für die südafghanische Stadt Kandahar, Bill Harris, sagte der "Times" allerdings, die Panne sei wohl nicht alleine die Schuld der Briten. "So etwas Dummes benötigt normalerweise Teamwork", sagte er. Die US-Geheimdienste hatten dem Zeitungsbericht zufolge dem MI6 geholfen, die Glaubwürdigkeit des Mannes zu überprüfen.

Die "New York Times" hatte am Dienstag erstmals über den Fall berichtet. Karzai hatte daraufhin dementiert, den vermeintlichen Taliban-Anführer getroffen zu haben. Karzais Stabschef Mohammad Umer Daudsai sagte der "Washington Post", die afghanischen Stellen hätten sofort an der Identität des Mannes gezweifelt. Die Panne zeige, dass der Versöhnungsprozess vollständig in afghanischen Händen liegen müsse, sagte Daudsai.

Karzai hat die Taliban bereits mehrfach aufgerufen, der Gewalt abzuschwören und Friedensgespräche mit seiner Regierung zu führen. Die Taliban-Führung weist Berichte über Gespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Aufständischen regelmäßig als "Gerüchte" und "Propaganda" zurück. Sie macht einen Abzug der ausländischen Truppen zur Vorbedingungen für Gespräche. (APA)