Mal ehrlich, dieses Bedürfnis ist kein unbekanntes: Dort ein Fauteuil und hier das subjektive Gefühl völliger Erschöpfung. Also schmeißt man sich in das Polstermöbel und sehnt sich danach, einen Fuß über die Armlehne zu hängen. Eigentlich nicht sonderlich bequem, aber insgesamt doch eine wahre Wohltat, wusste schon Adolf Loos. Unfein, würde das gehobene Bürgertum im deutschsprachigen Raum insistieren.
Die Engländer und Amerikaner seien nicht nur völlig frei von einer so kleinlichen Denkungsart, erläuterte der durch seinen dreijährigen USA-Aufenthalt geprägte Architekt 1898. Da "jede Art der Ermüdung einen anderen Sessel verlangt, zeigt das englische Zimmer nie einen durchgehend gleichen Sesseltyp", so Loos, der mit traditionellen Sitzgarnituren auf Kriegsfuß stand.
Bequemer Knieschwimmer
Am 10. Dezember jährt sich sein Geburtstag zum 140. Mal und widmet ihm das Hofmobiliendepot ein Sonderprogramm: Mit einem Architekturspaziergang in der Wiener Innenstadt (Iris Meder, Architekturhistorikerin), einem Vortrag zu den Loos'schen Ess- (pot o feu=Eintopf) und Trinkgewohnheiten (Fein'gspritzter= Champagner mit Soda) von Markus Kristan (Kurator Loos-Archiv Albertina) sowie einer Sonderführung durch die Loos-Möbelsammlung (Eva Ottilinger, Stv. Leiterin Hofmobiliendepot). Und in Letzterer bildet der sogenannte "Knieschwimmer", ein bequemer und in angelsächsischen Clubs gebräuchlicher Lehnstuhltyp, den zentralen Blickfang. Der legendäre, ab 1906 produzierte Liegefauteuil von Loos gleicht dem "New Shaped Easy Chair" der Londoner Firma Hampton & Sons frappant. Plagiat? Eva Ottilinger möchte das anders formulieren: Loos habe das Re-Design der Postmoderne erfunden. Das Entwerfen eines neuen Speisezimmersessels empfand er beispielsweise als völlig überflüssige Narretei, verbunden mit Zeitverlust und Aufwand. Das Chippendale-Modell war vollkommen, "er war die Lösung, er konnte nicht übertroffen werden".
Noch heute begeistert der "Knieschwimmer" nicht nur Designfreaks, allerdings sind die von Loos adaptierten und in der Zeit von Friedrich Otto Schmidt ausgeführten, nur selten unter 25.000 Euro zu haben. Den bislang höchsten Preis erzielte eine Variante mit originalem blassgrünem Samtbezug 2006 im Dorotheum (54.000 Euro). Diese Woche blieb eine auf 28.000-35.000 Euro taxierte Version mit braunem Lederbezug in der Designauktion (23. 11.) des Dorotheums vorerst unverkauft. Zwei Armlehnsessel, die Loos auch für das Interieur des Landhaus Kuhner (heute "Looshaus") auf dem Kreuzberg in der Semmeringgegend verwendete, wechselten für 10.625 bzw. 9375 Euro den Besitzer. Sie werden dieser Tage nach England bzw. in die USA transportiert und damit dorthin, wo laut Loos die "Virtuosen des Ausruhens" traditionell beheimatet sind. (kron, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 27./28. November 2010)