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Spitzenpolitiker sollten endlich beweisen, dass sie Reformen anpacken und auch Lösungen zustande bringen können, sagt der steirische Landeshauptmann Franz Voves.

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Standard: Herr Landeshauptmann: Wer regiert eigentlich Österreich?

Voves: Ganz eindeutig: die Bundesregierung. In Österreich gibt es die klare politische Führungsspitze Kanzler und Vizekanzler.

Standard: Und das Schattenkabinett der Landeshauptleutekonferenz. Man hat bisweilen den Eindruck, die Landeshauptleute halten sich eine Bundesregierung, denken nur an ihren Machterhalt und blockieren deshalb notwendige Reformen.

Voves: Mir tut das Bild, das die Landeshauptleutekonferenz aktuell wirft, wirklich weh. Weil es nicht stimmt. 90 Prozent der Landeshauptleute sind absolut reformwillig. Alle Macht an die Länder: Das ist nicht mein Thema. Wir leben im 21. Jahrhundert, im vereinten Europa, und da braucht es moderne sinnvolle Reformen, auch in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Wir Spitzenpolitiker Österreichs müssen endlich zeigen, dass wir fähig sind, Reformen umzusetzen. Deswegen sollen wir auch unbedingt eine Schulverwaltungsreform umsetzen.

Standard: Aber gerade hier, beim Thema Bildung, wird manifest, dass ohne die Länder nichts geht. Und dass die Länder anscheinend vordringlich an Machtfragen interessiert sind.

Voves: Ich fühle mich von dieser Kritik nicht betroffen. Ich will Reformen. Man kann nicht die Folgen der Wirtschaftskrise nur auf den Schultern der Bürger abladen. Die Bevölkerung wird dann ihren Beitrag besser verstehen, wenn sie sieht, dass auch hunderte Millionen Euro über Reformen im Bereich Schule, Spitäler und öffentliche Verwaltung von der Politik eingespart werden. Denn damit könnte man sich unter Umständen Kürzungen im Familienbereich im wahrsten Sinn des Wortes ersparen.

Standard: Aber gerade dieser von Ihnen beschworene Reformwillen ist bei den Landeshauptleuten nicht wirklich erkennbar. Woran liegt es wirklich, dass nichts passiert?

Voves: Vereinzelt mag es persönliche Sensibilitäten, beziehungsweise Machtdenken geben.

Standard: Sie meinen die beide mächtigen Landeshauptleute Erwin Pröll aus Niederösterreich und Michael Häupl aus Wien?

Voves: Ich glaube, dass jene, die ich meine, sich ohnedies angesprochen fühlen werden.

Standard: Na ja, Tatsache ist, dass beide die Zügel in der Hand haben. Das im Vorfeld von den Landeshauptleuten diskutierte Thema Lehrer wurde von Pröll erst gar nicht auf die Tagesordnung der Landeshauptleutekonferenz genommen?

Voves: Ich habe jedenfalls in unserer Fraktion einen Kompromissvorschlag für das Thema Schulverwaltung eingebracht und hoffe, dass die Diskussion darüber weitergeht. Die Landeshauptleute Pröll und Häupl meinen ja auch, dass die Diskussion weitergeführt werden soll.

Standard: Aber nicht über Ihren Kompromissvorschlag - zum Beispiel Abschaffung der Landesschulräte und Einrichtung von Bildungsdirektionen. Bürgermeister Michael Häupl, Ihr Parteifreund, hat sich über Sie und Ihren Beitrag nicht gerade freundlich geäußert.

Voves: Dem Kollegen Häupl möchte ich ausrichten: Wenn man als einziger SPÖ-Landeshauptmann zu einem Gespräch mit der Bundesministerin nicht erscheint, wo unter anderem dieser Vorschlag drei Stunden mit der SPÖ-Spitze besprochen wurde und er nur eine Vertretung hinschickt und dann von nichts weiß, dann muss es ein internes Kommunikationsproblem in Wien geben. Selbst Vorarlbergs VP-Landeshauptmann Sausgruber kennt meinen Vorschlag.

Was ich ganz generell in Richtung Wien sagen möchte: Es gibt durchaus Menschen in der sogenannten Provinz mit politischem Instinkt. Vielleicht wäre es manchmal ganz gut, wenn man nicht immer überheblich in die Länder schauen würde. Es wäre vielleicht ab und zu gut, wenn man auch den durchaus Erfolgreichen in der sogenannten Provinz etwas mehr Gehör schenken würde.

Standard: Warum ist Ihr Parteifreund Häupl eigentlich so patzig Ihnen gegenüber? Haben Sie ihn irgendwann beleidigt?

Voves: Bisher hatte ich nur das beste Einvernehmen mit meinem Kollegen Häupl. Das höhnische Lachen über meinen Kompromissvorschlag zum Thema Schulverwaltung war jedoch einigermaßen unangebracht.

Standard: Sie meinen also gekränkte Eitelkeit ?

Voves: Ausrutscher passieren jedem einmal.

Standard: Haben Sie grundsätzlich den Eindruck, dass die Bundesländerpolitiker generell von Wien und Niederösterreich mit einer gewissen Geringschätzung bedacht werden und sie sich hinten anstellen müssen, während Häupl und Pröll das Wort führen?

Voves: Über dieses Bild müssen Häupl und Pröll einmal selbst nachdenken. Die beiden sollen sich auch einmal überlegen, wie sie mit der Macht umgehen, die ihnen gegeben wurde. Es geht auch um das Ansehen von Politik und der Spitzenpolitiker. Mir ist es völlig egal, was zwei sich bei einem Wein ausmachen. Aber wenn sie glauben, dass sie allein Österreich darstellen, dann melde ich mich ich halt zu Wort.

Nicht aus einem Macho-Gehabe, sondern weil ich 1,2 Millionen Steirerinnen und Steirer zu vertreten habe. Diese gegenseitige Akzeptanz ist sehr wichtig.

Ich akzeptiere selbstverständlich auch meinen Kollegen in Kärnten, er ist gewählter Landeshauptmann der Kärntnerinnen und Kärntner, und es gebietet, gegenseitig Respekt zu haben, dass wir uns gleichwertig sehen. Auch Kanzler und Vizekanzler haben es nicht notwendig, an der Hand geführt zu werden.

Standard: Haben Sie schon einmal die Schaffung einer "West-Achse" unter Landeshauptleuten überlegt?

Voves: Die Landeshauptleutekonferenz war bisher inhaltlich und atmosphärisch eine ganz wichtige Plattform, wo wir unsere Überlegungen aus Sicht der Länder gemeinsam diskutiert haben und immer wieder gute Vorschläge an den Bund herantragen. Das soll so bleiben. Es ist ein ganz wichtiges Gremium, das sich nicht auseinanderdividieren lassen sollte. Dazu ist es aber notwendig, dass Einzelne nicht glauben, dass sie nicht Gleiche unter Gleichen sind. (Walter Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.11.2010)