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Ein Ende des Wachstums der chinesischen CO2-Emissionen ist nicht abzusehen

Foto: REUTERS/Soo Hoo Zheyang

Peking bewertet seine Luft mit Noten. Am 9. Oktober waren sich amtliche Kontrolleure und inoffizielle Luftmessbeamte der US-Botschaft einig. Pekings Luft war so schlecht, dass sie auf einer fünfstufigen Skala von ausgezeichnet (1) bis gesundheitsschädlich (5) die Note Vier minus erhielt. Es kam noch schlimmer: Einen Monat später, am 19. November, war Pekings Luft so belastet, dass den US-Forschern die Noten ausgingen. Die Schadstoffkonzentration überschritt den Index-Höchstwert von 500.

Ein US-Beamter erfand das Wort "irre schlimm" (crazy bad). Der unwissenschaftliche Ausdruck wurde von der Botschaftswebseite wieder gelöscht. Chinas Presse übernahm ihn sofort.

Doch für den neuen Klimabeauftragten für Cancún, Huang Huikang, der sich ausgerechnet am 19. November in Peking der Presse vorstellte, war der Zustand der Luft kein Thema. Auch der Staatsrat kümmerte sich nicht darum, obwohl Premier Wen Jiabao ihn am gleichen Tag nur zur Klimapolitik einberief. Beide Vertreter Chinas hatten Wichtigeres zu tun: Sie legten die Strategie für den Klimagipfel in Cancún fest.

Emittent Nummer eins

Peking will nach dem Fiasko von Kopenhagen diesmal offensiv vorgehen. Chefdelegierter Xie Zhenhua brachte es auf den Punkt: Er stritt nicht mehr ab, dass China in absoluten Zahlen heute "CO2-Emittent Nummer eins" in der Welt ist. Daraus jedoch würden Peking keine neuen Verpflichtungen erwachsen. Es ändere nichts am Status Chinas als Entwicklungsland.

Im Gegensatz zu den seit 1750 für ihre Entwicklung aus dem Vollen schöpfenden Industriestaaten habe Nachzügler China ein Recht auf nachholende Wirtschaftsentwicklung. Huang Huikang sagte, worüber er in Cancún, auf keinen Fall mit sich sprechen lasse: "Das Kioto-Protokoll ist nicht überholt und wird auch in Zukunft nicht überholt sein."

Freiwillige Leistungen

Peking stellt mit der konzertierten Aktion klar, dass es keine von außen aufgedrückte Verpflichtung übernehmen wird. Als "freiwillige Leistung" sei es aber bereit, so Xie Zhenhua, "unter Beibehaltung seiner Wirtschaftsentwicklung eine aktive Politik zur Kontrolle und Verminderung unserer Treibhausgase zu verfolgen."

Xie, der auch Vize-Planungschef Chinas ist, legte einen 72-seitigen Aktionsplan vor, wie das konkret aussehen soll. Im Fünfjahresplan (2011 bis 2015) stünden erstmals feste Ziele für eine bessere CO2-Effizienz. Das Land setze dafür auch zum großen Sprung in der Entwicklung seiner regenerativen Energien an.

25 Kernkraftwerke sind im Bau

Schon heute ist China weltgrößter Energieproduzent bei Wasserkraft und Windenergie, will Weltmeister bei Fotovoltaik werden und errichtet die meisten neuen Kernkraftwerke: 25 sind im Bau. Damit mindert es zwar tatsächlich den Anteil fossiler Energie für sein Wachstum, aber nicht deren Verbrauch. In absoluten Zahlen wachsen seine CO2-Emissionen weiter. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Der Verbandschef für Kohle, Wang Xianzheng, sagt schon voraus, dass China 2015 rund 3,8 Milliarden Tonnen Kohle verbrauchen wird, 800 Millionen Tonnen mehr als 2009. Die verstärkte Nutzung regenerativer Energien lasse den Anteil fossiler Energie 2015 von über 70 Prozent auf 64 Prozent fallen. Wie China zum Zwei-Grad-Klimaziel beitragen kann, wird nicht erklärt. Stattdessen fordert man die Industrieländer auf, ihre Emissionen stärker zu senken und mit Geld und Technologien den Entwicklungsländern beim CO2-Sparen zu helfen. China will in Cancún "nur tief hängende Früchte pflücken", schreibt sogar China Daily. (Johnny Erling aus Peking, STANDARD-Printausgabe, 27./28.11.2010)