Die Sanierung des Gebäudebestands ist die geringste unter den Herausforderungen des Klimaschutzes. Windenergie und Fotovoltaik in nahezu unbegrenzten Mengen - das ist Zukunftsmusik. Häuser, die praktisch keine Energie brauchen, gibt es hingegen seit Jahren. Und der Nachweis, dass Altbauten - selbst denkmalgeschützte - entsprechend modernisiert werden können, ist längst erbracht.
Und was die Kosten betrifft: Anhand von 330 sanierten Altbauten hat die Deutsche Energie-Agentur (dena), ein überwiegend bundeseigenes Fachinstitut, Kosten und Erträge hochgerechnet. Ergebnis: Die Ersparnis bei den Heizkosten genügt vollauf, um die fällige Modernisierung zu bezahlen. Selbst unter der vollständig lebensfremden Annahme, dass die Preise für Öl und Gas nicht weiter steigen, müssten die Hauseigentümer und Mieter insgesamt allenfalls minimale Zusatzkosten hinnehmen.
Nichtsdestotrotz denkt die Bundesregierung an eine Neuauflage der Förderung zur thermischen Gebäudesanierung. Inklusive des Anteils der Bundesländer soll das Zuschussvolumen 300 Millionen Euro ausmachen. Gut so, nur hoffentlich werden die Zugangsbedingungen zu den Förderungen diesmal besser konzipiert als beim letzten Mal. Denn das Ziel einer Förderung sollte ja sein, dass damit ein zusätzliches Sanierungsvolumen ausgelöst wird. Und diesen Beweis ist man für das letzte Förderungsprogramm nach wie vor schuldig.
In den vorgelegten einschlägigen Berechnungen hat man nämlich vergessen, die so genannten "Mitnahmeeffekte" rauszurechnen, die bei einer Förderquote von 15-20 Prozent erfahrungsgemäß sehr hoch sind. Denn es sagt einem schon der Hausverstand, dass man bei einem Zuschuss von 20 Prozent kaum jene Menschen zur Sanierung bewegen kann, die sich diese aus finanziellen Gründen prinzipiell nicht leisten können. Jemandem, der keine 10.000 Euro aufbringen kann, hilft ein Zuschuss von 4000 Euro wenig, wenn das Sanierungsprojekt insgesamt 20.000 Euro ausmacht. Ergo werden also nur jene die Förderung in Anspruch nehmen, die sowieso die Mittel für das Bauvorhaben aufbringen können. Mit einer derartigen Förderungsstrategie erzielt man aber kein zusätzliches Sanierungsvolumen.
Mitarbeiter unseres Instituts haben im Zuge einer Marktanalyse zur Evaluierung der Auswirkungen der letzten Bundesförderung für thermische Gebäudesanierung rund 1000 private Sanierer befragt, ob sie ihr Sanierungsprojekt auch ohne Förderung durchgezogen hätten - und das Ergebnis ist eindeutig: Nur ganze sechs Prozent der Befragten führten die Förderung als primären Grund für ihre Entscheidung an.
Natürlich ist staatliche Unterstützung nicht in jedem Fall abwegig. Ein Mindestrentner oder eine Jungfamilie wird es unter Umständen schwer haben, ohne öffentliche Förderung einen Kredit für Dämmmaßnahmen zu bekommen, die sich erst nach Jahren rechnen. Und in solchen Fällen muss das Förderungssystem weitaus großzügiger sein als bisher. Damit sich auch sozial schwache Haushalte eine thermische Sanierung leisten können, bedarf es erfahrungsgemäß einer Zuschussquote von 50 Prozent und mehr bzw. staatlicher Bürgschaften auf die aufgenommenen Kredite.
Dass allerdings die Förderungen im Gießkannenprinzip, ohne individuelle Bedarfsprüfung, ausgeschüttet werden, kann wohl nicht im Sinne des Steuerzahlers sein. Denn auf dieser Basis entwickelt die Förderung - wie das Beispiel aus dem Jahr 2009 zeigt - keine Hebelwirkung. Es macht einfach keinen Sinn, einem Bezieherkreis Geldgeschenke zukommen zu lassen, der sich die Sanierung seiner Wohnung oder seines Eigenheims auch ohne Förderung leisten kann, der daher auch ohne Förderung sanieren würde und der die Förderung als Subvention des nächsten Urlaubes oder für Ledersitze im Pkw verwendet.
Vielmehr sollten sich die Bundesregierung und die Länder endlich dazu durchringen, Immobilienbesitzer zu verpflichten, schlecht gedämmte Häuser zu sanieren - nicht heute oder morgen, aber doch im Laufe der nächsten zwei Jahrzehnte. Noch vor Mitte dieses Jahrhunderts verbraucht dann endlich auch das letzte Haus so wenig Heizenergie, wie gut geplante Neubauten es heute schon tun. - Gesetzlich verordnete Investitionen in gut gedämmte Häuser sind den Menschen zumutbar. Es ist in unser aller Interesse.
P.S. Die aktuell aufgeflammte Diskussion über die Umweltbilanz von Dämmstoffen ist ernst zu nehmen, insbesondere hinsichtlich der verwendeten Materialien. Jedoch ist sie auch nicht unbeeinflusst von wirtschaftlichen Partikularinteressen. Nicht zuletzt verliert durch Dämmmaßnahmen im Neubau die Mauersteinindustrie Wertschöpfung zugunsten der Dämmstoffindustrie, weil die Wandstärken schrumpfen und nur noch eine statische Funktion erfüllen müssen. Die Fragen, wer profitiert und wer verliert, sind auch hier die wichtigsten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.11.2010)