Es hätte schlimmer kommen können. Schuhe zum Beispiel, obwohl von der ballistischen Kurve schwer zu bestimmen, sind potenziell gefährlichere Protestmittel bei Pressekonferenzen und öffentlichen Reden. So hat Haşim Kilic, der Präsident des türkischen Verfassungsgerichts, am Freitag nur Eier abbekommen.

Kilic, der an die Anadolu Universität in Eskişehir kam, um die Vorzüge der Verfassungsreform zu loben, insbesondere den Umbau seines eigenen Gerichts, wurde von drei Studenten des Öğrenci Kolektifleri unterbrochen, einer Studentenorganisation, die mit den weit linksstehenden Halkevleri verbunden ist. Eierwerfen gehört zu deren Spezialität.

Die Studenten hatten noch eine Rechnung mit der Justiz im Land offen. Bevor die Eier flogen, stand eine Studentin auf und rief dem Gerichtspräsidenten zu:

„Sie reden über Justizreform und Fortschritt der Demokratie. 18 unserer Freunde von der Technischen Universität Istanbul sind zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Ist das Ihr Fortschritt der Demokratie? Vor zwei Wochen gerade sind Beine und Arme unserer Freunde gebrochen worden. Ist das Ihr Fortschritt der Demokratie?"

Als die Frau von Sicherheitsleuten weggezerrt wurde, traten die Eierwerfer in Aktion. Der erste rief noch - den Sinn des Projektils gewissermaßen erklärend: „Wir wollen keine reaktionäre Kollaborateure in unseren Universitäten. Wenn Sie zu unseren Universitäten kommen, werden sie mit unseren Eiern begrüßt!"

Der Hintergrund des Ganzen: Anfang November waren 18 Studenten der Technischen Universität in Istanbul (ITÜ) vor einem Strafgericht zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie im Jahr 2008 gegen den Besuch von Regierungschef Tayyip Erdogan protestiert und dabei die Eröffnungsfeier gestört hatten. Das Urteil wurde zur Bewährung ausgesetzt, das heißt, die jungen Leute dürfen sich die nächsten fünf Jahre nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Zum Beispiel an Protestaktionen gegen den Ministerpräsidenten teilnehmen.

Das Urteil sieht zwar wie eine Strafe wegen Majestätsbeleidigung aus, stützt sich aber auf das Gesetz 2911, das Versammlungen und Demonstrationen regelt und in der Vergangenheit regelmäßig bei unliebsamen Protesten zum Zug gekommen ist. Der jüngste Fortschrittsbericht (Download als pdf) der EU-Kommission über den Beitrittskandidaten Türkei erwähnt bemerkenswerterweise den Fall der 18 Studenten nicht und sieht lediglich bei einigen Demonstrationen im kurdischen Südosten des Landes problematische Störungen. Der Unmut der konservativ-muslimischen Regierung über das Studentenvolk an der Technischen Universität in Istanbul war damals noch durch die Transparente vergrößert worden, die bei Erdogans Auftritt hochgehalten wurde. Darauf stand unter anderem: „ITÜ Koranschule" und „Die große Invasion".