Die gegenwärtige Bundesregierung agiert wie der Vorstand eines Sparvereins: hier was abzwacken, dort was erhöhen. Nach den Stimmungen und Stärkeverhältnissen in den Wirtshäusern, wo der Stammtisch tagt und trinkt.

"Beim "Wein" (0-Ton Franz Voves) will nicht nur der steirische Landeshauptmann kein Trinkkumpan sein. Auch seine Salzburger Kollegin Gabi Burgstaller und sein Kärntner Gegenüber Gerhard Dörfler scheren aus. Sie bilden nicht nur Sachkoalitionen in staatspolitischen Fragen wie Bildung und Infrastruktur. Sie machen Front gegen die Machtballung rund um Wien, zu der neben der Regierung auch drei Landeshauptleute gehören: Erwin Pröll und Michael Häupl sowie Burgenlands Hans Niessl, der manchmal (wie in der Lehrerfrage) auch als ÖVPler durchgehen könnte. Häupl und Pröll schmiedet nicht nur die ehemalige Nähe im Wiener Regierungsviertel zusammen, sondern neuerdings auch das Finanzdebakel am Wiener Flughafen. In der Not rückt man zusammen.

Weil Häupl sich wegen der Flughafenangst selbst in der Lehrerfrage nicht gegen Pröll stellen will, kriegt der - unterstützt von Niessl und dem Oberösterreicher Pühringer - ein Übergewicht. Wogegen sich der Kärntner Landeshauptmann in der sonntägigen TV-Pressestunde auflehnte.

Dörfler, der für den abgesprungenen Vizekanzler Josef Pröll eingesprungen ist, nützte die Gunst der Stunde. Er löste sich endgültig aus der posthumen Umklammerung durch seinen Vorgänger Jörg Haider. Erneut durch ausgleichende Positionen in der Ortstafelfrage, deutlich gegen die Verländerung in der Schuldebatte, mit europäischen Argumenten für den Koralmtunnel.

Die Situation gleicht in vielem jener der 60er-Jahre, als eine immobil gewordene große Koalition nur noch Finanz- und Problemverwaltung betrieb. Was die Länderchefs stärkte, in Ermangelung von starken SPÖ-Figuren außerhalb Wiens vor allem jene der ÖVP. Das waren in der Steiermark Josef Krainer sen. und in Tirol Eduard Wallnöfer, die Bundesstaatsreform in Permanenz betrieben.

Meist im Sinne des traditionellen Föderalismus oder/und einer Übertragung der Schweizer Strukturen auf Österreich. Das war damals aktuell und provozierte Debatten.

Heute findet Politik innerhalb einer (gefährdeten) EU statt, weshalb ein rückwärtsgewandter und machtpolitisch gesteuerter Föderalismus kein Zukunftsmodell mehr ist. Aber die Chefs der "alpinen" Bundesländer treten erneut als Verfechter von Reformen auf.

Die Bundesregierung selbst pendelt "sparefroh" zwischen Onkel (Pröll) und ehemaligem (Faymann) Chef. Nur zwei gibt es, die zumindest gedanklich den herbstlichen Nebel überragten - in der SPÖ Bildungsministerin Claudia Schmied und in der ÖVP Wirtschaftsminister Rudolf Mitterlehner. Die eine konsequent bis zum immer wieder hinausgeschobenen Rücktritt, der andere erfrischend illoyal, indem er Fehler der Regierung markiert. Und damit andeutet, dass er der bessere Vizekanzler wäre als der Neffe im niederösterreichischen Kartell.

(Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2010)