Vor ein paar Monaten hat Daniel Ellsberg, der "gefährlichste Mann Amerikas" (© Henry Kissinger), im Interview mit dem Standard dazu aufgerufen, Regierungen mit Informationen unter Druck zu bringen. Er hatte die 7000 Seiten der "Pentagon Papers" in den 1970ern noch eigenhändig kopiert und an die New York Times weitergegeben. Diese belegten die Irreführung der US-Öffentlichkeit durch Präsident Richard Nixon in Sachen Vietnamkrieg. Das war effektiv, aber Steinzeit-Whistleblowing.

Mit der Arbeit der Onlineplattform Wikileaks hat der Zund an das interessierte Publikum eine andere, digitale Dimension erreicht. Ab heute, Montag, wird die dritte Welle von Geheimdokumenten seit diesem Sommer online gestellt. Diesmal sind es "Embassy Papers" , Einschätzungen von US-Diplomaten über Politiker und Außenpolitik auch von verbündeten Staaten. Ist das unnötig oder sogar gefährlich, wie die amerikanische Regierung behauptet?

Das wird sich weisen, sobald die Papiere online stehen. Grundsätzlich aber gilt für den nicht eben an ungenügend ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung leidenden Wikileaks-Macher Julian Assange die gleiche Maxime wie für den alten Daniel Ellsberg: im Zweifel für die Transparenz. Die Bürger haben das Recht, zu erfahren, welche Politik ihre gewählten Regierungen verfolgen. Und sie sollen selber entscheiden, ob sie ausgewogen oder tendenziös darüber informiert worden sind. (Christoph Prantner /DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2010)