Keine Frage - das Vaterland ist in Gefahr. Wenigstens darüber herrscht nationale Übereinstimmung, von der nur die Regierungsmitglieder ausgenommen sind, und selbst da kann man nicht bei jedem sicher sein. Also: Was tun? Die Antwort darauf fiel in diesen Tagen unterschiedlich aus. Da gibt es einmal jene vom SP-gesponserten Zentralorgan der Strache-Truppe am Montag gelieferte: Kriminelle Ausländer abschieben. Die lei- der unvermeidliche Überzeile Schweizer Volksabstimmung entscheidet war dabei keine Einschränkung der Vielfalt der Meinungen ihres Herausgebers und der Redakteure, wie unverbesserliche Adepten der Menschenrechte der "Kronen Zeitung" eventuell unterstellen könnten. Daran ließ ein außenpolitischer Redakteur keinen Zweifel, als er, in redaktioneller Meinungsvielfalt schwelgend, philosophischen Betrachtungen zum Mut der Eidgenossen nachhing: Einmal mehr haben die Schweizer gezeigt, dass sie sich ihr Votum sehr wohl genau überlegen, auch wenn es zuweilen im Ausland Kopfschütteln auslöst. Die rechtliche Relevanz dieses Mutes wird auch im Inland noch einiges Kopfschütteln auslösen, aber das ist nicht mehr das Problem der "Krone".

Einen weit weniger leuchtenden Pfad, Gefahren vom Vaterland abzuwenden, beschritten am Wochenende die "Salzburger Nachrichten", nachdem zuvor der Standard versucht hatte, mit der Überzeile Landeshauptleute laden in Niederösterreich Finanzminister vor, um sich das Budget erörtern zu lassen die Lage wenigstens sprachlich zu entschärfen. Mit einem anderen Untertitel machte das rosa Blatt diesen Versuch aber auf der gegenüberliegenden Seite gleich wieder zunichte, als es meinte, Bildungs-Enquete vertieft Grabenkämpfe, wo sich die Bildungsenquete ohne weiteres mit einer Vertiefung der Gräben hätte zufrieden geben können. Doch zurück nach Salzburg.

Dort rief der Chefredakteur mit dem Aufmacher Österreich braucht jetzt seine Bürger zu einer Levée en masse auf, in der die besten Traditionen eines Frankreich von 1789 nachzuglühen versuchten. Er verkündete nicht weniger als das Ende des Ancien régime von Faymann und Pröll, die nach der Zumutung, "Warum schleifen sie sich das Sparpaket nicht rund, wenn es ihnen zu kantig ist?" keine Reformkraft mehr besäßen.

Herbeiführen will Salzburgs Danton dieses Ende paradoxerweise durch eine radikale Verschärfung des Anciennitätsprinzips in Form eines Rückgriffs auf noch anciennere Reformer. Vranitzky, Klima(!), Schüssel (!!), Gusenbauer - sie haben gewiss nicht alles gut gemacht. Aber wir könnten von ihrem Wissen heute profitieren und auch aus ihren Fehlern lernen. Sie werden nicht gefragt. Was ist mit Androsch, Neisser, Busek, Ferrero, vor allem Fischler? Hier liegt politisches Knowhow, um das uns Europa beneidet, brach. Wir nützen es nicht. Dabei könnte man aus den Genannten fast schon eine ganze Regierung bilden. Um die uns Europa beneidet. Bis es so weit ist, sollen sich die Mitglieder der Bürgergesellschaft an einem 10-Punkte-Programm der SN für ein besseres Österreich abarbeiten, das über die Seiten 2 und 3 ausgebreitet hochaktuell im Zeichen des habsburgischen Doppeladlers steht. Nur weil zum Mitmachen aufgefordert - einige Anmerkungen.

Punkt 1 fordert ein Wahlrecht, das klare Mehrheiten schafft. In Wien forderten erst neulich vier von fünf Parteien dessen Abschaffung. Punkt 2 fordert die klügsten Köpfe in der Regierung. Und wer macht dann Zeitung? Sie zu kriegen, müsste man nur, damit aufhören, ihnen ihre Gage zu neiden. Bin dabei. Punkt 3: Eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern muss her. Das ist leicht, befiehlt die "SN" doch kühn: Umsetzen! Punkt 4: Junge haben das Gefühl, dass sie in der Erwachsenenwelt eigentlich nicht willkommen sind. Wir müssen ihnen dieses Gefühl nehmen. Umsetzen! Gegen einen besseren Umgang mit den Senioren (5) kann man ebenso wenig haben wie gegen eine vernünftige Medienkultur (6), eine vernünftige Zuwanderungspolitik (8) oder mehr Geld für Bildung (9). Schluss mit der Parteipolitik - Punkt 7 -, das wollten schon viele. Aber wer schenkt uns dann die klügsten Köpfe in der Regierung? Und irgendwer muss schließlich auch noch Punkt 10 erfüllen: Schluss mit den alten Tabus.

Wenn es nicht bald ans Umsetzen geht, ist das Vaterland wohl verloren. Wär schade, wo sich die "SN" so bemühen.(Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 30.11.2010)