Wien - Dass der Tod ein Wiener sein muss, wissen wir spätestens seit Georg Kreisler. Aber nicht nur im Wienerlied des Chansoniers kommt die morbide und bittersüße Beziehung zwischen dem Städter und dem Sensenmann zum Ausdruck, sondern auch auf der Bühne - und selten ist das Verhältnis zum Sterben so grotesk wie in Wien.

Auch bei Arthur Schnitzler ist das Thema Sterben und Tod allgegenwärtig, so im 1901 erschienen Einakter Die letzten Masken aus dem Zyklus Lebendige Stunden. Regisseur Helmut Wiesner inszenierte das tragikomische Kokettieren mit dem Tod schon in den 70er-Jahren. Seine bravouröse Wiederaufnahme, bei der er selbst einen gutmütigen Arzt spielt und Illich einen Dichter darstellt, verlegte er in den barocken Eroica-Saal des Theatermuseums im Palais Lobkowitz.

Wenn auch davon ausgegangen wird, dass unter der Erde alle Menschen gleich sind, an der Oberfläche, im Leben, sind sie es nicht. Da sind zum Beispiel ein junger Schauspieler (Gabriela Hütter) und ein vom Leben gezeichneter Journalist (Dieter Hofinger), beide wären im "echten" Leben "vielleicht Todfeinde" gewesen.

Von Anfang an wird der Tod in Aussicht gestellt, der eine resigniert, der andere verneint ihn. Abgetragene Morgenmäntel künden im "Extrakammerl" des Wiener AKH ein erbärmliches Ende an. In diesem minimalistisch ausgestatteten Sterbezimmer, reduziert auf vier Stühle, betonen ausladende Gesten und bedeutungsschwere Mimik das letzte Aufbäumen, sind aber in Schnitzlers klarer, feiner Sprache zu viel des Guten.

Auf dem kargen und dennoch atmosphärischen Parkett werden die Masken des Lebens im Angesicht des Todes zusehends verzerrter und legen unerwartete Zustände frei. Plötzlich wird auf lästige gesellschaftliche Regeln verzichtet, da sich das Bedürfnis nach klärenden Gesprächen einstellt. Eigenes Unvermögen im Leben ist nicht mehr rückgängig zu machen, der Neid auf den Erfolg alter Freunde beklemmend. Mit der Demaskierung geht die Befreiung einher. Beethovens letzte Klaviersonate Opus 111 (gespielt von Agnes Wolf) begleitet die Vanitas-Vorstellung von der Vergänglichkeit alles Irdischen. (Sebastian Gilli, DER STANDARD - Printausgabe, 30. November 2010)