Der aktuelle Euro-Rettungsplan kann nur funktionieren, wenn die Europäische Zentralbank einspringt. Doch damit wandelt sich die Aufgabe der Währungshüter.

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Willem Buiter nimmt sich selten ein Blatt vor den Mund. Der Ökonom, heute Chefökonom bei der US-Bank Citigroup, ist ein streitbarer Kritiker der Wirtschaftspolitik der vergangenen drei Jahre. In einem aktuellen Essay zum Euro-Rettungsschirm hat er sich der aktuellen irischen Rettung und den Implikationen für das Eurosystem angenommen. Kurz gesagt: Die Schuldenkrise ist nicht gelöst, der Stabilisierungsfonds sollte deutlich größer sein (rund zwei Billionen Euro). Doch das ist kaum neu, auch hier wurde dieser Punkt bereits besprochen.

Doch Buiter gibt deutlich mehr Einblicke, wenn es um Zentralbanken geht. Und seiner Meinung nach wird die EZB eine deutlich gröpßere Rolle im "neuen" Eurosystem spielen, als dies viele EU-Politiker und Notenbanker zugeben würden. Denn eines ist für Buiter sicher. Wenn Spanien fällt (das von seinem Risiko her wegen der Bankenprobleme "deutlich näher" bei Portugal und Irland liege als bei Italien), dann muss die EZB weiter intervenieren. Die Zentralbank hat bereits  PIGS-Staatsanleihen über den SGM (Securities Markets Program) gekauft, insgesamt liegen auf der EZB-Bilanz 66 Mrd. Euro an PIGS-Papieren. Das sind aber noch vergleichsweise noch Peanuts. 2010 sind in der Eurozone 7939 Milliarden Euro an Staatsschulden ausständig, umgerechnet 86,7 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Doch im Falle Spaniens müsste die Notenbank wieder direkt Staatsanleihen kaufen, oder den spanischen Banken mehr Liquidität bereitstellen als diese Sicherheiten vorweisen können. Oder die Notenbank könnte gar direkt dem EFSF, dem europäischen Stabilitätsfonds, Geld leihen, indem sie Anleihen zeichnet. Das könnte die Notenbank auch deswegen tun, um das AAA-Rating des EFSF zu garantieren. Citi schätzt, dass der Fonds nur 250 Mrd. € der insgesamt 440 Mrd. € begeben kann, bevor das AAA-Rating fällt (und damit die Refinanzierungskosten des Vehikels steigen).

Doch diese Maßnahmen werden die Notenbank in einen Interessenskonflikt stürzen, und haben es auch bereits. Auf der EZB Bilanz befinden sich mehr und mehr riskante Papiere. Um Verluste auf die 66 Mrd. Euro Staatsanleihen zu vermeiden, wird sich die EZB gegen jede Form einer Umschuldung wehren, auch wenn sie ökonomisch sinnvoll wäre. Der Beweis für Buiters These war Griechenland. Für den Ökonomen ist das Land "de facto insolvent." Denn auch der aktuelle Konsolidierungsplan würde Zinsleistungen in Höhe von 8-9% des Bruttoinlandsprodukts ab 2013 bedeuten. Darüber hinaus ist es relativ klein, eine Restrukturierung hätte also relativ moderate Auswirkungen gehabt. Dennoch hat die EZB einen Bailout befürwortet, auch weil sie bereits einige Milliarden Euro an griechischen Papieren von den hellenischen Banken angenommen hat. Daher geht Buiter nicht davon aus, dass die EZB ihre Rolle als Schuldenfeuerwehr vernachlässigen wird: "As the sole source of unlimited liquidity and as an institution that can take decisions without the need for political or popular approval, it is the only institution that can take actions of sufficient size and with sufficient speed to stave off major financial instability."

Ohne Umschuldung in der Eurozone wird die Europolitik aber insgesamt eine andere werden. Wie Harald Uhlig im Standard-Interview betont, hängt die Stabilität des Euros einzig an der Notenbank. Betreibt diese glaubhafte Politik der Preisstabilität, wird auch der Euro stark bleiben. Wenn hingegen andere Aufgabenfelder für die Notenbank dazukommen, ist das nicht mehr fix. So wie die US-Notenbank in den vergangenen 25 Jahren auf jede Krise mit einer massiven Intervention und niedrigen Zinsen reagiert hat, wird die EZB nach Ansicht Buiters auf jede regionale Krise in naher Zukunft mit expansiver Geldpolitik reagieren, also dem Aufkaufen von PIGS-Anleihen. Für den Euro könnte das eine massive Abwertung bedeuten. Und mit Blick auf die Reaktion auf die irische Rettung ist das derzeit wohl auch die Marktmeinung: Der Euro ist nun wieder unter 1,30 gegen den Dollar gefallen, die Zinsen auf die Staatsanleihen von Eurozone-Ländern sind zum Teil kräftig gestiegen (Bloomberg). Die Zinsen von Spanien sind indes bereits auf 5,5 Prozent geklettert, 282 Basispunkte höher als vergleichbare zehnjährige deutsche Anleihenzinsen.

 

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