Inhalte des ballesterer Nr. 58 (Dezember/Jänner 2010/11) - Ab sofort österreichweit im Zeitschriftenhandel!

Schwerpunkt: HANS KRANKL

HANS UND WIE IHN DIE WELT SAH
Prohaska, Weber, Binder jun. und Resetarits über Johann K.

MEHR ALS EIN GOLEADOR
Intensive zwei Jahre beim FC Barcelona

»HANS, WAS WOLLEN SIE UNS SAGEN?«
In der ORF-Sportarena mit Starek, Benya und Fani

Außerdem im neuen ballesterer:

»UND DIE WM GEHT NACH ...«
Skandale bei historischen WM-Vergaben

GÄHNENDE LEERE
Südafrikas WM-Stadien droht ein langsamer Verfall

»WIR KREPIEREN, LASST UNS RAUS!«
Wenn Sturm-Fans auf Polizisten und ein ATV-Kamerateam treffen

DIE GRENZEN DER FREIEN WELT
Neue Buchpublikationen zum Phänomen Ultra

ANARCHIE AM BOSPORUS
Besiktas-Capo Alen Markaryan im Porträt

TALSTATION WOLFSBERG
Marco Reich will bei WAC/St. Andrä Skifahren lernen

ERMESSENSSACHE HANDS
Schiedsrichter sind mit dem Regelwerk oft überfordert

LEGIAS UNVERGESSENER HELD
Kazimierz Deyna soll ein Denkmal bekommen

GROUNDHOPPING
Tütütü in Hamburg, Derby in Südlondon

BAROMETER
Ausblick auf das Fußballjahr 2011

DR. PENNWIESER
Krank(l)

KUMPS POTTKOLUMNE
Rot-Weiss Essen statt Schalke 04

Foto: Cover/ballesterer

"Wenn ein Obertrottel wie der Paul Breitner schreibt, wir würden zu sehr unseren Idolen aus der Vergangenheit nachhängen, dann frage ich mich, wen störe ich? Wen halte ich auf?"

Foto: Dieter Brasch/ballesterer

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"Ich schaue mir ja immer noch zumindest ein Barcelona-Spiel pro Saison an. Wenn sie rauskommen und das Barca-Lied gespielt wird, steht mir die Ganslhaut. Ich brauche nur davon zu reden, steht mir die Ganslhaut" (Hans Krankl übernahm Anfang April 1998 das Traineramt beim SV Salzburg und wurde Nachfolger von Heribert Weber (li).

Foto: Reuters/Zolles
Foto: Dieter Brasch/ballesterer

ballesterer: Sie gehören zu Österreichs schillerndsten Sportpersönlichkeiten der letzten 50 Jahre. Was hat Sie dazu gemacht?

Hans Krankl: Ich weiß nicht, ob ich das bin. Wenn man davon sprechen kann: meine Tore, meine lange, sehr erfolgreiche Karriere. Als kleiner Wiener habe ich als Fußballer fast alles erreicht, was man erreichen kann. Ich bin zum Jahrhundert-Rapidler gewählt worden und war Torschützenkönig beim FC Barcelona. Was das bedeutet, verstehen sogar die Dümmsten. Auch wenn ich als Trainer keine so großen Erfolge gefeiert habe und nicht jedes Jahr Meister geworden bin: Als Teamchef ist mir auch von Nicht-Rapidlern so viel Sympathie und Anerkennung entgegengebracht worden - was ich auf die Art und Weise zurückführe, wie Fußball gespielt wurde, und den Patriotismus, den ich ausstrahle. Dass mich nicht jeder mag, soll so sein. Das taugt mir eh. Es müssen mir ja nicht alle zujubeln.

Ein Großteil der Österreicher mag Hans Krankl aber. Warum sind sie so populär?

Krankl: Meine Ehrlichkeit und dass ich für den Verein, bei dem ich war, immer alles gegeben habe. Bei Rapid sowieso, weil das mein Blut ist. Österreich detto. Aber auch wenn ich Trainer in Salzburg, beim Sport-Club oder in Mödling war - oder auch zwei Monate als LASK-Trainer, dann mit 100 Prozent. Wenn ich narrisch war, habe ich Blödsinn geredet. Da ist alles aus mir herausgesprudelt, was nicht immer so geschickt gewesen ist. Aber diese Spontaneität, diese Natürlichkeit, das Echte - das mögen die Leute. Dass ich normal geblieben bin, auch wenn ich manchmal verrückte Dinge gesagt habe. Jetzt geht es eh besser mit dem Alter. Wobei, ändern werde ich mich nicht mehr: Ich bin 57, dafür ist es zu spät.

Sie sind ein Arbeiterkind und als Jahrhundert-Rapidler das Aushängeschild eines proletarischen Vereins. Inwiefern war Ihre Kindheit und Jugend von einem entsprechenden Bewusstsein geprägt?

Krankl: Mein Vater war 40 Jahre ein sehr stolzer Straßenbahner. Er hat Tag und Nacht gearbeitet, damit es seiner Familie gut geht, und mir seine Einstellung mitgegeben. Daran ist nichts inszeniert.

Sind Sie zu Rapid gekommen, weil es ein Arbeiterverein war?

Krankl: Ich bin in Mariahilf aufgewachsen und habe von neun bis elf bei Straßenbahn im zehnten Bezirk gespielt, bevor ich zur Rapid gekommen bin. Schwer zu sagen, was passiert wäre, wenn wir im zweiten Bezirk gewohnt hätten. Aber mein Vater hat mich schon von klein weg auf die Pfarrwiese mitgenommen und mir das mitgegeben. Genau so, wie ich es meinem Sohn mitgegeben habe.

Ist es bei Rapid von Anfang an gutgegangen oder hatten Sie auch Probleme?

Krankl: Ich habe alle Nachwuchsmannschaften durchlaufen. Bei den Junioren sind wir immer österreichischer Meister geworden. Mit 17 bin ich dann unter Gerdi Springer in die Erste gerutscht, weil er viele Verletzte hatte. Ich habe sechs, sieben Einsätze gehabt und bin die letzten 20 Minuten reingekommen für den Buzek Hans und den Fritsch Toni. Ich konnte mit den ganzen Idolen aus meiner Jugend noch zusammengespielen: mit Bjerregaard, Rudi Flögel - zu dem und zum Buzek habe ich am Anfang »Sie« gesagt. Das war natürlich ein Wahnsinn. Aber ich habe bald gemerkt, dass der Springer nicht viel auf Junge hält und sich nicht mit mir beschäftigt. Deshalb wollte ich weg, und der Fak Erich, der damals Kapitän und mein Mentor war, hat mir einen Leihvertrag beim WAC in der Regionalliga Ost vermittelt. Dort habe ich sehr viele Tore geschossen, und so hat mich der neue Rapid-Trainer Ernst Hlozek nach einer Saison wieder zurückgeholt.­

Haben Sie von dem Zeitpunkt an einen Fixplatz gehabt?

Krankl: Ja, der hat nur einmal - ganz am Anfang - gewackelt. In einem Cupspiel gegen die Vienna hat der Ritter Karl statt mir gespielt. Ich bin bei 0:0 in der 60. gekommen und habe gleich zwei Tore geschossen. Da war ich brennheiß und habe diese Zeichen mit dem Finger gemacht. Ich war damals schon stur, aber ab diesem Zeitpunkt habe ich eine Ruhe gehabt, weil ich immer viele Tore geschossen habe.

Die WM 1978 war eine sehr wesentliche Etappe in Ihrer Karriere. Die Tore von Cordoba haben Sie zum großen Helden einer Kickergeneration gemacht ...

Krankl: Es waren alle Helden, und die anderen Matches waren genauso super wie das 3:2 gegen Deutschland. Sicher, dieses Spiel werden wir nie vergessen, und das soll gemeißelt sein in alle Steine. Aber wir haben Spanien 2:1 geschlagen. Spanien! Einmal sage ich es noch: Wir haben Spanien 2:1 geschlagen! Wenn du das heute einem jungen Menschen erzählst, glaubt er es dir nicht. Spanien! Im Velez-Sarsfield-Stadion von Buenos Aires, vor 45.000 Argentiniern, die nicht zu uns geholfen haben. 2:1! Das ist genauso viel wert wie Cordoba. Aber weil wir dort unsere Freunde geschlagen haben, die immer groß die Gosch'n aufreißen und uns runterdrücken, ist das für die Volksseele wichtiger. Eh okay, aber alle Spieler und die ganze Weltmeisterschaft waren heldenhaft.

Das Thema wird im nächsten Frühjahr vor dem Match gegen »unsere Freunde« wieder aufgewärmt werden. Wird Cordoba von der Presse überstrapaziert?

Krankl: Freilich, aber soll ich deswegen ein schlechtes Gewissen haben? Wenn ein Obertrottel wie der Paul Breitner schreibt, wir würden zu sehr unseren Idolen aus der Vergangenheit nachhängen, dann frage ich mich, wen störe ich? Wen halte ich auf? Bei den Deutschen ist es ja nicht anders: Die reden heute noch von 1954. Klar, sie haben die als unschlagbar geltenden Ungarn besiegt. Aber was hat das mit dem heutigen Fußball zu tun? Mir einen Vorwurf daraus zu machen, dass es Cordoba gegeben hat - samma schon ganz deppert? Cordoba wird nie vergessen werden. Niemals. Und das soll auch so sein.

Sie gelten als großer Patriot. Ist es Teil Ihres Patriotismus, sich von Deutschland abzugrenzen?

Krankl: Im Fußball ja, weil sie uns immer unterdrücken wollten. Damals haben sie gesagt: Wir sind die besseren Spieler, wir haben die bessere Kondition, mehr Willenskraft. Das lehne ich ab. Es ist aber keinesfalls so, dass ich die Deutschen nicht mag. Emil Krause hat sich bei Rapid ein Zimmer mit mir geteilt. Der ist von Hannover 96 gekommen und war ein echter Piefke, aber ein super Bursch und mein bester Freund in der Mannschaft. Der Zweite war der Bernd Krauss. Dem haben wir alles gelernt: Bernd Krauss konnte nicht reden, nicht flanken, nicht schießen. Als Trainer war ich drei Monate bei Fortuna Köln. So nette Leute wie dort habe ich selten kennengelernt: ein Mörderschmäh - wie die Wiener.

Die WM 1978 war die Initialzündung für Ihren Transfer zum FC Barcelona. Wie haben Sie dort die »Aufnahmeprüfung« geschafft?

Krankl: Beim ersten Training war ich schon ein bisserl kleinlaut. Einige Spieler kannte ich von der WM. Aber natürlich habe ich mir auch gedacht: Bumm, zuerst schieße ich denen das Tor, und dann spiele ich mit ihnen - mit Asensi, Migueli, Olmo, Rexach und wie sie alle hießen. In der Vorbereitung sind wir ins Trainingslager nach Andorra gefahren, um dort in einer unheimlichen Hitze acht Tage schwer zu trainieren. Zum Abschluss haben wir gegen einen Viertligisten das erste richtige Match gespielt, auf einem Dorfplatz vor 10.000 Zuschauern. Der Rexach hat reingeflankt, und ich habe das erste Tor geköpfelt. Es war ein Vorbereitungsmatch, da jubelt man nicht großartig. Aber der Asensi ist hergekommen und hat mir ein Busserl gegeben. Das war das Zeichen, dass sie mich akzeptieren. Von diesem Augenblick an ist es gelaufen. Das passiert überall auf der Welt: bei Barcelona, bei Rapid, bei Wienerberg und bei Mistelbach - von der Champions League bis zur Schutzklasse. Und das ist das Schöne am Fußball.

Wie ist das, wenn man im Camp Nou ein Tor schießt? 

Krankl: Unvorstellbar. Ich schaue mir ja immer noch zumindest ein Barcelona-Spiel pro Saison an. Wenn sie rauskommen und das Barca-Lied gespielt wird, steht mir die Ganslhaut. Ich brauche nur davon zu reden, steht mir die Ganslhaut. Mein erstes Tor habe ich beim Joan-Gamper-Turnier geschossen. Zuerst haben wir gegen Rapid verloren, in dem Match haben mich alle gedeckt: der Walzer, der Pajenk, der Happich. So mussten wir gegen Vasco da Gama um Platz drei spielen. In dem Match habe ich dann zwei Tore gemacht und den Pokal für den besten Spieler des Turniers bekommen.

Nach der ersten Saison mit dem Sieg im Cup der Cupsieger ist es nicht mehr so gut für Sie gelaufen. Es kam zu einem Abschied auf Raten. Waren Sie damals zu stolz?

Krankl: Ja, das ist möglich. Aber das kannst du in dem Moment nicht wissen. Ich habe eineinhalb Fehler gemacht in meiner Karriere: Der eine war, dass ich nicht gewartet habe, dass sie mich wieder anmelden. Da war ich zu stolz. Der größere Fehler war, im Anschluss nicht zum AC Milan zu gehen. Wenn ich dort zwei, drei Jahre gespielt hätte, könnte ich heute Trainer in Italien sein. Aber ich bin schon mit der Überzeugung nach Mailand gefahren, dass ich dort nicht hinwill. Ich war so enttäuscht von Spanien und wollte nur noch heim. Aber mein Verhältnis zum FC Barcelona hat das nicht getrübt. Diese Liebe, diesen Respekt und diese Dankbarkeit, die mir dieser Verein und seine Anhänger entgegengebracht haben und heute noch entgegenbringen, das gibt es bei uns nicht. Das ist etwas Unfassbares.

Ist die Wertschätzung für Sie bei Barcelona größer als bei Rapid?

Krankl: Es ist anders. Die Wertschätzung der Leute bei Rapid ist prinzipiell groß. Allerdings nicht von denen, die gerade das Sagen haben. Das ist gespielte Höflichkeit und das mag ich nicht. Ich weiß, da sehen mich nicht alle gern. Die brauchen alle ihre Sonne, und wenn ich komme, stehen sie im Schatten, und nichts bleibt übrig ... (Stefan Kraft & Reinhard Krennhuber)

Die vorliegende Fassung des Interviews ist gekürzt. Wie sich Hans Krankl und Heribert Weber in Rapids Erfolgsmannschaft der 1980er Jahre positiv aneinander abrieben, warum dem elektrisierten Hans der Erfolg als Trainer versagt blieb und Josef Hickersbergers Teamchef-Comeback eine »lauwarme Partie« war, lesen Sie im neuen ballesterer. Ab sofort im Zeitschriftenhandel!