Die im Sommer angekündigte gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen, Entgeltdaten geschlechtsspezifisch offenzulegen, steht kurz vor der Verabschiedung. Wesentliche Änderungen der Regierungsvorlage sind im parlamentarischen Verfahren nicht mehr zu erwarten. Große Unternehmen (mehr als 1000 Arbeitnehmer) werden ab 2011 aufgrund einer Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes verpflichtet sein, im ersten Quartal alle zwei Jahre für das Vorjahr eine anonymisierte Entgeltanalyse (genannt Einkommensbericht) zu erstellen. Für kleinere Unternehmen tritt die Regelung schrittweise in Kraft; ab 2014 gilt sie für alle Unternehmen mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen.

Diese Entgeltanalyse ist nach folgenden Gesichtspunkten zu gliedern: erstens nach Geschlecht, zweitens nach Verwendungsgruppen und drittens, soweit verfügbar, nach Verwendungsgruppenjahren. Das Entgelt von Teilzeitbeschäftigten ist dabei auf Vollzeitbeschäftigung hochzurechnen, ebenso ist bei unterjährig Beschäftigten auf ein volles Jahr hochzurechnen. Der Bericht ist so zu gestalten, dass er keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulässt.

"Einkommensbericht" ist eine Fehlbezeichnung - es handelt sich um eine Entgeltanalyse pro ArbeitgeberIn. Transparenz nach außen schafft der Bericht nicht. Soweit vorhanden, ist EmpfängerIn allein die/der Betriebsrätin/Betriebsrat. Sie/Er erhält durch solche Berichte keine Daten, zu denen sie/er nicht schon seit Jahren ohnehin Zugang hätte. Sie/Er erhält sie bloß besser aufbereitet. Nur soweit kein Betriebsrat besteht, ist der Bericht im Unternehmen für alle ArbeitnehmerInnen zugänglich aufzulegen.

Dem unternehmerischen Bedürfnis nach Geheimhaltung - man denke an die wettbewerbliche Bedeutung solcher Entgeltdaten in personalintensiven Branchen - wird durch eine strenge Verschwiegenheitspflicht Rechnung getragen. Diese ist verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert (Geldstrafe bis zu 1500 Euro; zu verfolgen aber nur auf Antrag der/des ArbeitgeberIns). Allerdings dürfen Betriebsrat/Betriebsrätin und ArbeitnehmerIn den Bericht zur Anspruchsdurchsetzung verwenden - auch in Gerichtsverfahren, wodurch die Vertraulichkeit erheblich abgeschwächt ist: Denn eine Einschränkung der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren wegen wirtschaftlicher Interessen ist nicht vorgesehen. Die Verpflichtung zur Erstellung des Berichts wird einklagbar sein.

Faktoren, die die Aussagekraft schwächen

Über die Aussagekraft der Einkommensberichte kann man geteilter Ansicht sein; und damit auch über ihre Effektivität gegen Diskriminierung. Einige Faktoren schwächen die Aussagekraft ab: Eine Bereinigung des Entgelts auf die Normalarbeitszeit ist nicht vorgesehen - Überstundenentgelt (oder ein "All-in"-Zuschlag) ist also mit dem Grundentgelt vermengt auszuweisen. Wo eine Geschlechtergruppe im Bericht - in einer bestimmten Verwendungsgruppe - mit einem höheren Entgelt aufscheint, kann dies daher schlicht an einer höheren Überstundenleistung liegen; die Gründe dafür müssen wiederum nicht diskriminierungsneutral sein. Bei kleinen Beschäftigtengruppen pro relevanter Kategorie kann die Aussagekraft generell durch individuelle Besonderheiten reduziert sein, von denen prima vista nicht klar sein wird, ob sie diskriminierungsrelevant sind.

Unklar sind viele Details der Berichtserstellung - etwa die Regeln für die Anonymisierung bei zu kleinen Gruppen, die Anwendung bei Geltung mehrere Kollektivverträge etc. Ob die Berichte daher letztlich innerbetrieblicher Entgeltdiskriminierung effektiv entgegenwirken oder gar als Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer Diskriminierung taugen werden, bleibt abzuwarten.

Diese Kritik ist aber kein Grund, diesen Entgeltanalysen vorweg jede Wirksamkeit abzusprechen: Es könnte in erster Linie die "Optik" dieser Berichte sein, die erstellende Unternehmen (zu Recht oder zu Unrecht) nachdenklich machen wird. Wer gibt schon gerne einen Bericht heraus, der den Vorwurf der Diskriminierung beim Entgelt zumindest nahelegt?

Und nur zur Abrundung: Die Gebietskörperschaften - Bund, Länder, Gemeinden, durchaus maßgebliche Arbeitgeber des Landes werden von dieser Verpflichtung nicht betroffen sein. (Karin Sommeregger, Stefan Köck, DER STANDARD, 01.12.2010)