Zerschnitt sich in Schubhaft in Panik selber die Brust: Man habe ihm jeden Kontakt nach draußen untersagt, schildert Code Ehiro

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Standard: Vor zwei Wochen wurden Sie nach Protesten knapp vor ihrer geplanten Abschiebung aus dem Polizeianhaltezentrum entlassen. Wie geht es Ihnen jetzt?

Ehiro: Ich besuche wie davor meinen HTL-Kurs und trage in der Nacht Zeitungen aus. Aber diesen Job hätte ich fast verloren.

Standard: Wie das?

Ehiro: Weil ich zwei Tage, von Sonntag bis Dienstag, im Gefängnis war und dort nicht telefonieren durfte, um mich bei der Firma zu entschuldigen.

Standard: Haben Sie die Polizisten um ein Telefonat ersucht?

Ehiro: Ja, um einen Anruf bei der Firma und einen bei meiner Freundin - und ich habe dutzende Male gebeten, meinen Rechtsberater sprechen zu dürfen. Die Polizisten haben immer nur gesagt. 'Das geht nicht'. Erst am Dienstag hatte in der Rossauer Lände ein Beamter Mitleid und gab mir ein Handy, mit dem ich meine Betreuerin erreichte. Wenige Stunden später wurde ich freigelassen.

Standard: Wie haben Sie die Zeit bei der Polizei in Erinnerung?

Ehiro: Ich hatte die ganze Zeit große Angst - und zwar, je länger es dauerte, umso mehr: Ich wusste, mein Platz im Flieger war für Mittwich, 00.20 Uhr reserviert. Immer wieder habe ich gebeten, meinen Rechtsberater anrufen zu dürfen, es wurde mir verwehrt.

Standard: Laut Innenministerium gilt seit Frühjahr ein Erlass, der Rechtsberatern breiten Zugang zu ihren Klienten in der Schubhaft zusagt. Das galt bei Ihnen nicht ?

Ehiro: Nein. In diesen zwei Tagen habe ich sicher an die hundert Mal nach dem Juristen verlangt. Schon am Kommissariat, wohin mich die Polizisten Sonntagnachmittag auf dem Flüchtlingsheim Neu Albern brachten, musste ich mein Handy abgeben. Und ich musste mich ausziehen, komplett, bis ich nackt war.

Standard: Völlig nackt? Warum?

Ehiro: Ich weiß nicht. Erst in der Zelle haben sie mir die Unterhose zurück gegeben. Sie haben mich rektal untersucht. Die Polizisten lachten und sagten: "Warum kommt ihr nach Österreich? Dieses Land braucht euch nicht."

Standard: Wie ging es weiter?

Ehiro: Sonntagnacht wurde ich in die Schubhaft in der Rossauer Lände gebracht. Auch dort durfte ich trotz Bitten nicht mit meinem Rechtsberater sprechen. In der Zelle war eine Taste, die musste man drücken, um mit einem Polizisten zu reden. Das habe ich immer wieder gemacht. Dann bin ich im Kopf ganz wirr geworden und habe die Schraube gelöst, mit der der WC-Spülgriff an der Wand hängt. Mit diesem Metallteil habe ich mir die Brust zerschnitten (hebt das Hemd und zeigt Narben am Oberkörper). Es hat geblutet.

Standard: Wurden Sie daraufhin ärztlich behandelt?

Ehiro: Ja, der Doktor hat meine Wunden verbunden. Dann kam ich in eine Isolationszelle, die gekachelt war und wo das Klo nur ein Loch im Boden war. Ich wurde auch einer Mitarbeiterin des Vereins Dialog (der in der Schubhaft psychologische Beratung macht, Anm.) vorgeführt. Sie fragte mich, warum ich mich selbst verletzt hatte. Ich sagte, ich wolle meinen Rechtsberater sprechen, doch dazu ist es bis zur Entlassung nicht gekommen.(Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 1.12.2010)