Wien - Die rote Vizebürgermeisterin durfte 15 Minuten sprechen, für die grüne waren nur fünf eingeplant. Schließlich kennt man Renate Brauner ja auch schon länger als Maria Vassilakou und wird weiterhin mehr mit der Wirtschaftsstadträtin zu schaffen haben als mit der neuen Verkehrsstadträtin.
Und so lobte das rote Stadtregierungsmitglied bei der Vollversammlung der Industriellenvereinigung Wien am Montagabend erst einmal ausgiebig die Wiener Wirtschaftspolitik im Allgemeinen und die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Industriellenvereinigung im Besonderen. Danach durfte auch die grüne Amtskollegin auf die Bühne und sprach gleich einmal doppelt so lange wie planmäßig vorgesehen.
Dass es sich beim ersten gemeinsamen Auftritt der beiden Häupl-Stellvertreterinnen um ein Brauner-Heimspiel handelte, konnten aber auch Vassilakous Versuche um ausgleichende Gerechtigkeit in Sachen Redezeit nicht kaschieren. Dafür sorgte zum einen IV-Wien-Präsident Georg Kapsch, der gleich zu Beginn anmerkte, dass die Industriellenvereinigung Rot-Grün zwar grundsätzlich positiv gegenüberstehe, in einigen Punkten aber durchaus Bedenken habe, "vor allem, was den Individualverkehr angeht." Brauner selbst hob in der anschließenden Diskussion zum Thema "Die Zukunft der Wissens- und Industriemetropole Wiens" mehrmals den guten Draht zu Wiens Industriellen hervor - und tätschelte dabei sanft den Unterarm des Präsidenten.
Vassilakou versuchte trotzdem tapfer, den Anwesenden Elektroauto und Fotovoltaik schmackhaft zu machen und hat es in den letzten Wochen offenbar auch geschafft, die bislang als grünkritisch geltende Brauner auf ihre Seite zu ziehen. Jedenfalls gab sich Brauner ihrer neuen Regierungspartnerin gegenüber betont freundschaftlich-locker. Die kleinen Unfreundlichkeiten, mit denen sich die beiden vor der Wahl regelmäßig bedacht haben, schienen vorerst vergessen. (stem, DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2010)