"Gibt es ein Recht auf ein Dienstzeugnis - und wenn ja, wie lange habe ich Zeit, es vom Arbeitgeber einzufordern?", fragt uns Userin Roxanna F.

"Gesetzlich ist es ganz klar geregelt", erklärt Günter Köstelbauer von der Arbeiterkammer, "jeder hat nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Dienstzeugnis". Inhaltliche Formalitäten seien penibel einzuhalten: "Name, Geburtsdatum, Adresse, Firmenname- und anschrift, Dauer des Dienstverhältnisses und die Art der Tätigkeit" müssen auf jeden Fall ersichtlich sein, so der Arbeitsrechtsexperte im Gespräch mit derStandard.at.

"Schöne" Dienstzeugnisse sind Usus

Die in Paragrafen gegossenen Vorgaben sind zwar unmissverständlich, dennoch gebe es Interpretationsspielraum, warnt Köstelbauer davor, die "Macht" von Dienstzeugnissen zu unterschätzen. Im Rennen um den nächsten Job könnte das der entscheidende Vorteil sein. Aber auch Nachteil, denn eine vermeintlich positive Verpackung könne sich als Hemmschuh für weitere berufliche Ambitionen entpuppen. Er empfiehlt, den Inhalt genau unter die Lupe zu nehmen, weil sich in den letzten Jahren die Usance entwickelt habe, dass Dienstzeugnisse "schön" sein sollen. Wo auf die Person und ihre Persönlichkeit eingegangen wird, gebe es jede Menge Fallstricke.

"Es besteht die Gefahr, dass auf den ersten Blick positive Formulierungen in Wirklichkeit ganz was anderes aussagen sollen." Eine Art "Geheimsprache" habe sich herauskristallisiert, die dem Arbeitnehmer schaden soll, so Köstelbauer, der als Beispiele Formulierungen wie: "Er zeigte viel Selbstvertrauen" oder "er ist eine kommunikationsstarke Persönlichkeit" anführt. Zwischen den Zeilen heiße das: "Eine große Klappe und nichts dahinter." Er rät, solche Sätze hinauszureklamieren. Schließlich stehe im Gesetz, "dass Anmerkungen verboten sind, die geeignet sein könnten, das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu erschweren."

Superlative

Die normale Vorgehensweise sei, den Arbeitgeber darauf aufmerksam zu machen und auf eine positivere Ausdrucksweise zu pochen. In Wirklichkeit zählten nur Superlative; wie: "Er hat die Arbeit zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt", sagt Köstelbauer. Wenn das Unternehmen nicht dazu bereit sei, dann soll man auf ein "einfaches" Dienstzeugnis bestehen, also nur mit den Basisinformationen. "Ein durchsetzbares Recht auf eine andere Formulierung existiert nicht."

Laut Köstelbauer komme es immer wieder vor, dass Betriebe das Dienstzeugnis missbrauchen, um dem Arbeitnehmer noch eine "letzte Watschen" mit auf den Weg zu geben. Vor allem, wenn die Trennung nicht "im Guten" erfolgt. Zum Teil komme es auch als "Druckmittel" zum Einsatz, mahnt er zur Vorsicht: "Bei Gesprächen über die Auflösung des Dienstverhältnisses wird den Arbeitnehmern gesagt, sie sollen auf diese oder jene Ansprüche verzichten. Dafür bekommen sie ein 'schönes' Dienstzeugnis." Auf den Kuhhandel, der eine "einvernehmlichen Lösung" auf dem Rücken der Beschäftigten zum Ziel hat, solle man sich auf keinen Fall einlassen, meint er.

30 Jahre

Wie lange kann man ein Dienstzeugnis einfordern? "An und für sich hat man 30 Jahre dafür Zeit", erläutert der AK-Experte, der aber an Ex-Mitarbeiter appelliert, früher zur Tat zu schreiten, denn es gibt auch Ausnahmen: "Im Kollektivvertrag könnte stehen, dass alle Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb einer gewissen Frist geltend gemacht werden müssen." Das muss aber explizit vertraglich verankert sein, sonst komme die "30-Jahre-Frist" zum Tragen.

Die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses darf bei der Vergabe eines Dienstzeugnisses keine Rolle spielen: "Wenn man nur zwei Wochen dort gearbeitet hat, dann waren es halt nur zwei Wochen." Ob man bei einer kurzen Arbeitsdauer einen schriftlichen Beleg als "Referenz" will oder ob das für zukünftige Aufgaben sogar kontraproduktiv ist, sei eine Sache, die jeder auf individueller Ebene zu lösen habe.

Reine Dienstzeugnisprozesse, die über die Arbeiterkammer angestrengt werden, kommen zwar vor, sind aber eine "Seltenheit", erzählt Köstelbauer: "Eigentlich nur, wenn zum Beispiel die Tätigkeit nicht umfassend und adäquat dargestellt wird." Meist ist das Dienstzeugnis nur Teil eines Verfahrens, das auf einer anderen Front stattfindet. Etwa wenn erworbene Ansprüche übers Arbeits- und Sozialgericht eingeklagt werden. (derStandard.at, 22.9.2010)