Erstmals wurden auf der Enthüllungsplattform Wikileaks auch Notizen veröffentlicht, die Österreich direkt betreffen. Sie stammen aus der Wiener US-Botschaft und behandeln Vorgänge am Finanzsektor. Datiert sind die beiden Depeschen mit 7. Dezember 2005 und 17. Februar 2006. 

Die Depeschen beschäftigen sich mit möglichen dubiosen Geschäftsverbindungen österreichischer Banken, beispielsweise mit dem russischen Mafia-Boss Semion Mogilevich oder zu Organisationen in Nordkorea und dem Iran. Die US-Bedenken werden in den Notizen von österreichischer Seite zerschlagen.

Sorge um mögliche Geldwäscheaktivitäten

Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA), so in den Unterlagen der US-Botschaft, sei über das Engagement der Raiffeisen Investment Holding AG (RIAG) bei dem Energieunternehmen RosUkrEnergo (RUE) "beunruhigt" gewesen. Die FMA soll aber zufrieden gewesen sein, dass sowohl die ausführliche interne Überprüfung von Raiffeisen, als auch eine Überprüfung durch die US-Sicherheitsberatungsfirma Kroll keine verfänglichen Ergebnisse über die ungenannten Investoren der RUE ergeben hätte. Es konnten auch keine Verbindungen zu dem russischen Kriminellen Semion Mogilevich entdeckt werden.

Verdacht: Bestechungsgelder an die RZB

Die USA vermuteten außerdem, dass die RZB und Raiffeisen Investment AG ein Deckmantel für Mogilevich wären. Mogilevich sei der wahre Chef des Energiekonzerns RosUkrEnergo (RUE), spekulieren die US-Diplomaten in den Depeschen aus Wien. RUE würde jährlich 360.000 US-Dollar an leitende Angestellte als Beratungshonorar zahlen. Die USA vermuten, dass diese Zahlungen Bestechungsgelder an Raiffeisen sind. Im Gegenzug wurde die Bank Mogilevich schützen.

Die österreichische Finanzmarktaufsicht beschwichtigt: Sie hätte "intensive Diskussionen" mit der RZB/RIAG geführt - illegale Aktivitäten hätte sie nicht erkennen können. Auch interne Untersuchungen wären zu keinem Ergebnis gekommen. Wieder war der US-Sicherheitsdienst Kroll involviert - und auch diesmal konnte er nichts finden. Die Zahlungen von der RUE an die RIAG würden direkt an ein RIAG-Konto gehen. Auch leitende Angestellte hätten darauf keinen Zugriff.

Sowohl die FMA als auch das österreichische Finanzministerium betonen demnach den Willen von Raiffeisen, sich auf dem osteuropäischen Markt zu etablieren. Die osteuropäischen Länder würden von diesem Engagement profitieren, waren FMA und Finanzministerium bemüht, herauszustreichen. Bereits seit dem Sommer 2005 hätten, laut der Depesche aus der US-Botschaft, österreichische und US-Behörden zusammengearbeitet, um den Geldwäscheaktivitäten von Mogilevich auf die Spur zu kommen.

Bei der FMA ist man gerade dabei, die veröffentlichten Daten zu prüfen, eine Stellungnahme könne man deshalb vorerst nicht abgeben, hieß es am Donnerstag.

Ein Sprecher der RZB gab sich auf Anfrage von derStandard.at unaufgeregt. Dies seien "lauter alte Hüte, die längst geklärt wurden". Es sei bei jedem der US-Bedenken bereits der Nachweis erbracht worden, dass diese zu Unrecht bestehen.

BA-CA-Verbindungen zu Nordkorea

Auch ein Gespräch mit dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser wird erwähnt (am 6.2.2006): Erich Hampel, damals Vorstandsvorsitzender der Bank Austria, soll zugestimmt haben, Geschäftskontakte der damals noch BA-CA genannten Bank mit einer nordkoreanischen Organisation zu beenden, um den Ruf der Bank nicht zu gefährden. Die Bank Austria gab mittlerweile bekannt, dass sie selbst die Wikileaks-Dokumente gerade überprüfen würden.

Außerdem zeigte sich die US-Regierung besorgt darüber, dass die Novin Energy Company - ein Unternehmen, das am iranischen Nuklearprogamm beteiligt ist - in Zahlungen verwickelt war, die von der Creditanstalt an die Handelsfirma Mileace General Trading (mit Sitz im Iran und in Dubai) getätigt wurden. Von österreichischer Seite wird darauf Bezug nehmend an die USA berichtet, dass die UN-Botschaft des Iran für die Novin Energy Company ein Konto bei der BA-CA eröffnet hätte. Regelmäßig seien von diesem Konto aus hohe Geldbeträge an die Iranische Nationalbank überwiesen worden. Diese seien aber nicht ins Visier der Finanzmarktaufsicht gekommen, lediglich eine Überweisung an Mileace General Trading "unter 100.000 Euro".

Die USA warf außerdem der BA-CA vor, dutzende Finanztransaktionen ermöglicht zu haben, die im Zusammenhang mit nuklearen Geschäften stehen könnten. Auch hier beschwichtigte die Finanzmarktaufsicht. Ihren Untersuchungen zufolge lägen hier keine illegalen oder fragwürdigen Aktivitäten vor.

Vorwurf der Terrorfinanzierung

Die US-Behörden mokierten sich außerdem über ein Bankkonto der "Palästinensischen Vereinigung in Österreich" (PVÖ). Der Verein - mittlerweile umbenannt in "Palästinensische Humanitäre Vereinigung" (PHV) - würde mit Spenden die Hamas unterstützen und finde sich deshalb auf der US-Terrorliste. Die österreichische Regierung versicherte den US-Vertretern aber, dass die damalige BA-CA deren Konten aufgelöst habe, bevor die USA die PVÖ als Terrororganisation eingestuft hatte. Die österreichischen Behörden hätten die Nachfolgeorganisation PHV bereits unter die Lupe genommen und nichts Verdächtiges gefunden.

Außerdem habe ein ehemaliges irakisches Regimemitglied, das sich auf der "most-wanted"-Liste der Interimsregierung finde, im Jahr 2004 behauptet, dass Gelder aus Jordanien über ein Konto der RZB in den Irak geflossen seien. Die RZB habe den Vorwurf untersucht und kein entsprechendes Konto gefunden. 

Die US-Regierung äußerte sich auch kritisch über die NGO "Irakhilfswerk". Die österreichische Regierung versicherte, dass eine Untersuchung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ergeben habe, dass das gesammelte Geld tatsächlich der irakischen Zivilbevölkerung zugute komme und weiter unter Beobachtung des BVT stehe. (red, mhe, mka, 2.12.2010)