Das Parlament macht Druck im Fall Kampusch.

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Wien - Eine Rede des BZÖ-Abgeordneten Ewald Stadler zur Causa Kampusch sorgte am Mittwochnachmittag im Parlament für Aufregung. Stadler bezeichnete es als "Skandal", dass Karl Kröll, der Bruder des verstorbenen Chef-Ermittlers, Franz Kröll, der im Juni 2010 Selbstmord verübt haben soll, Anfang September verhaftet wurde. Wie Der Standard damals berichtete, begründet die Kripo Graz die zweitägige Haft damit, dass Karl Kröll in die Wohnung des Bruders "eingedrungen" war, ohne Erbberechtigter zu sein.

Doch Karl Kröll ging mit dem Schlüssel, den ihm der Verstorbene selbst gegeben hatte, in die Wohnung, "um den gemeinsamen Computer zu holen", wie er behauptet. Verhaftet wurde er erst zwei Monate später. Warum? Kröll und nun auch Stadler meinen, weil der Bruder des Toten einem hochrangigen Polizeibeamten angekündigt hatte, er werde dem Grünen-Politiker Peter Pilz Unterlagen übergeben. Wie mehrmals berichtet, hatte Franz Kröll Zweifel daran, dass Wolfgang Prik-lopil Einzeltäter war.

In einer Sitzungsunterbrechung und einer Unterredung aller Klubchefs wurde am Mittwoch entschieden, das stenografische Protokoll von Stadlers Debattenbeitrag an Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zu übermitteln. Beide wurden zu Stellungnahmen aufgefordert, die schriftlich ergehen werden.

Johann Rzeszut, Ex-Präsident des Obersten Gerichtshofes und Mitglied der Kampusch-Kommission, wirft der Justiz bekanntlich eine Vernachlässigung "entscheidender polizeilicher Ermittlungsergebnisse" vor. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt deswegen nun gegen fünf Staatsanwälte. Rzeszut bat aber Bandion-Ortner im Namen der Kommission schon im Juli 2009 schriftlich, den Fall von Wien zu einer anderen Staatsanwaltschaft zu verlagern.

"Das wurde ignoriert", sagt Rzeszut. Aus dem Büro Bandion-Ortner heißt es dazu: "Es gab zeitnah vor und nach dem Brief Gespräche mit Dr. Rzeszut", daher hielt man eine schriftliche Antwort nicht für nötig. Rzeszut kontert: "Auf die konkrete Bitte hat man auch mündlich nie reagiert."

"Ausschuss unumgänglich"

H., ein Freund und Geschäftspartner Priklopils, dessen erste Einvernahme durch eine Polizistin dem Standard als Protokoll vorliegt, verwickelte sich mehrmals in widersprüchliche Aussagen. Er übergab auch den nachweislich gefälschten "Abschiedsbrief" Priklopils der Polizei und gab bei Befragungen durch die Polizei und vor Gericht Inhalte anders wieder. Stadler forderte Aufklärung dieser Widersprüche und jener in Aussagen von Natascha Kampusch und vermutet einen "politisch potenten" Kinderpornoring hinter den Vertuschungen.

So weit will Peter Pilz nicht gehen, sagt aber: "Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist jetzt unumgänglich." Man habe den Endbericht Krölls und den des Staatsanwaltes Thomas Mühlbacher an das Ministerium angefordert. Pilz glaubt auch in den Politikern Hannes Jarolim (ÖVP) und Werner Amon (ÖVP) Verbündete gefunden zu haben. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Printausgabe, 3. Dezember 2010)