Seit elf Jahren erfreuen sich Volksschulkinder an Europas größter Schulsportveranstaltung "Athletics light".

Foto: derstandard.at/Regina Philipp

Wien - Eine Lifestyle-Offensive bei Kindern und Jugendlichen forderte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Walter Dorner, am Freitag in einer Aussendung. Vor dem Hintergrund der "finanzorientierten Diskussion um die Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems" sieht der Ärztechef dringenden Handlungsbedarf: "Im Jahr 2030 wird der schlechte Gesundheitszustand unserer heutigen Jugend nach Expertenrechnung jährliche Mehrkosten von 1,6 Milliarden Euro verursachen, bis 2050 werden diese Mehrkosten auf 3,7 Milliarden Euro steigen", zeigte Dorner die wirtschaftlichen Folgen auf. 

Ganz schlechtes Zeugnis

Mehr Schulsport und zusätzliche Bewegungsangebote in den Schulen sowie ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Medium Fernsehen, das den Bewegungsdrang der Kinder hemme, seien dringend erforderlich, so der ÖÄK-Präsident. Aus ärztlicher Sicht sei dem Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen ein ganz schlechtes Zeugnis auszustellen: Nikotin, Alkoholkonsum, Übergewicht, mangelnde Bewegung, zu wenig Obst und Gemüse seien die Hauptlaster der Jugend. Dorner: "Die Politik des Bundes und der Länder hat diese Problematik bisher sträflich vernachlässigt. Es ist Zeit für eine Gesundheitsoffensive."

Speziell die Aufwertung des Schulsports sei ein wichtiges Instrument, um die Gesundheit und Fitness der Kinder nachhaltig zu fördern. "Regelmäßige Bewegung - und sei es nur eine halbe Stunde täglich - hat enorme positive Auswirkungen. So wird das Risiko, an Diabetes zu erkranken, erheblich reduziert, das Immunsystem profitiert, Blutdruck und Herzfrequenz pendeln sich auf einem normalen Level ein", vermerkte der Ärztepräsident. Kinder hätten überdies einen natürlichen Bewegungsdrang, den man fördern müsse, schloss sich der Sportarzt und Vorstand des Instituts für Sportwissenschaft und Universitätssport an der Universität Wien, Norbert Bachl, an: "Ein eigener Fernseher im Kinderzimmer hemmt den Bewegungsdrang. Wir wissen, dass die Zahl der Fernsehstunden direkt mit der Inaktivität der Kinder korreliert und dass die Anzahl der Fernseher in den Kinderzimmern steigt. Hier gilt es gegenzusteuern - Studien haben gezeigt, dass Volksschüler, die einen eigenen Fernseher haben, dicker sind als ihre Mitschüler."

Gesundheit hat Vorrang

Der Kinder-Bewegungscoach, der einer Zusammenarbeit von Unterrichts- und Sportministerium entsprungen ist, sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber: "Das geht uns noch nicht weit genug", forderte Dorner mehr Engagement seitens der Politik. Die Bewegungscoaches seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal sie vorerst nur in Wien zum Einsatz kämen. Es sei daher in jedem Fall erforderlich, die Zahl der Sportstunden auf mindestens vier anzuheben, und zwar unabhängig von der Schulstufe. Dorner: "Vor allem in den höheren Schulen spielt der Sportunterricht kaum noch eine Rolle. In einer Berufsbildenden Höheren Schule sind maximal zwei Stunden Sport pro Woche vorgesehen." Auch in der Volksschule sei der Sportunterricht dramatisch gekürzt worden; in den letzten beiden Schulstufen müssen die Kinder mit mageren zwei Stunden auskommen. Dorner: "Das ist ein Skandal!" Auch Norbert Bachl sieht im schulischen Bereich Verbesserungsmöglichkeiten: "Die Ganztagsschule ist eine Riesenchance - man kann die Kinder über Mittag sozusagen in Bewegung bringen, eventuell in Kooperation mit Sportvereinen oder eben den Bewegungscoaches." Ein ähnliches Konzept sei für Schulen vorstellbar, die bereits zur Mittagszeit enden. Haftungs- und Geldfragen dürften dabei keine Hindernisse sein, waren sich Dorner und Bachl einig: "Die Gesundheit unserer Kinder muss Vorrang haben." (red)