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Vom Hudson River bis zur Themse, von der Main bis zur Seine, und zuletzt sogar an der verschlafenen Donau, wo das auch für Kleinanleger durchaus als großzügig zu bezeichnende Übernahmeangebot der niederländischen Heineken für den ab sofort ehemals heimischen Bierbrauer Brau AG für überschäumende Aktienkurse sorgte, überall begegnet man neuerdings wiederum freundlich gestimmten Investoren.

Dies hat grundsätzlich zum einen mit dem im Schnitt nicht allzu gutem Langzeitgedächtnis von Börsianern zu tun, zum anderen mit der unleugbaren Tatsache, daß nach den Höhenflügen der internationalen Finanzmärkte – unrühmliche Ausnahe wieder einmal Japan – innerhalb der letzten sechs Wochen der Abwärtstrend an den Aktienmärkten unterbrochen zu sein scheint.

Doch Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste, vor allem und um so mehr, wenn sich in letzterer Aktien befinden.

Zwischen Hoffen und Bangen ...

Einerseits blick(t)en die US-Konsumenten im April so optimistisch in die Zukunft wie schon lange nicht mehr. Das doch rasche Kriegsende im Irak und vor allem die tieferen Ölpreise dürften dabei den Ausschlag gegeben haben. Auch die erfreulichen Quartalsabschlüsse der US-Firmen haben zuletzt nicht nur den lahmen Aktien Flügel verliehen, sondern auch den Zinsen zu einem Anstieg verholfen.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Aktien derzeit eher günstig oder zu hoch bewertet sind. Schwierig zu deuten sind auch die Unternehmenszahlen vom ersten Quartal. Zwar überwiegen bis jetzt die angenehmen Überraschungen; den zum Teil markanten prozentualen Anstieg von Gewinn und Umsatz verdanken viele Unternehmen aber dem so genannten Basiseffekt, dass heißt der Tatsache, dass die entsprechenden Größen in der Vorperiode massiv gesunken sind. Schwierig zu beurteilen sind zudem die Konjunkturzahlen. Während sich die US-Daten durchaus sehen lassen können, tut sich Europa schwer. Es lässt sich nicht verbergen, dass hier die Wirtschaft tendenziell schrumpft.

... Analysten und Notenbankchefs ...

Auch die meisten Finanz-Analysten(häuser) geben sich mittlerweile etwas zuversichtlicher und haben ihre Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate nach oben korrigiert. Mit Erleichterung wird auch an dieser Stelle auf die außerordentlich starken Kursavancen der zurückliegenden Wochen verwiesen. Die europäischen Börsenbarometer liegen mittlerweile wiederum deutlich über oder zumindest in der Nähe der Bewertung, die sie zu Beginn des Jahres 2003 erreicht hatten.

Die attraktive Dividendenrendite, die beispielsweise gemessen am Euro-Stoxx-50-Index rund 3,5 Prozent beträgt, spreche für weitere Aktienzukäufe, lautet das Urteil einiger Prognostiker. Beobachter speisen ihre Zuversicht vor allem aus der großzügigen Geldpolitik der Notenbanken, die den Volkswirtschaften in den kommenden Monaten neue Wachstumsimpulse verleihen könnte. Hoffnung auf eine baldige Wiederbelebung der Konjunktur vermittelte in der Berichtswoche auch die für Kenner der Szene bemerkenswert unverschlüsselt gehaltene Rede von US- Notenbankchef Alan Greenspan, der von einer konjunkturellen Wiederbelebung in der zweiten Jahreshälfte als dem wahrscheinlichsten Zukunftsszenario ausgeht.

...zur entscheidenden (Börsen)Frage

Bei allem Respekt selbst vor unbestrittenen (Alt)Meistern wie Alan Greenspan sei mit Verlaub angesichts diverser optimistischer Ausblicke die schüchterne Frage erlaubt, wo denn in den nächsten Monaten oder gar Jahren das für stürmische Börsen-Aufschwünge notwendige Wachstum hervorgezaubert werden soll. Das Zinsniveau verharrt schon seit geraumer Zeit auf rekordtiefem Stand, ohne Auswirkung auf einen nachhaltigen Investitionsschub. Gleichzeitig droht gerade bei den Zinsen aufgrund der prekären Verschuldungssituation der wichtigsten Industrienationen, insbesondere jener der USA, dass die Notenbanken vielmehr die Schrauben eher anziehen müssen, um die Finanzierung der diversen Defizite überhaupt zu gewährleisten. Von dem für alle Beteiligten Niedergang der amerikanischen Währung ganz zu schweigen ...

Fazit: rein technisch spricht nichts gegen einige weitere Erholungsrallys an den ohnehin ausgetrockneten Börsen respektive deren Anleger, vom fundamentalen Standpunkt schaut es aber unverändert eher düster aus. Doch gottlob hat Österreich eine redegewandten Fußballteamchef, und der predigt bekanntlich den Seinen auch immer: "... die Hoffnung stirbt zuletzt!"

Nachlese

--> "Sell in May and go away ..."
--> Börsen vor der Trendwende
--> Drei Jahre Baisse reichen
--> Einer wird gewinnen
--> Schweigen in der Folterkammer
--> Politik beeinflußt die Börsen wenig
--> Die Baisse kann bis 2018 andauern...
--> 1:0 für Anleihen
--> Arme Rentner
--> Kanonendonner oder Kursfeuerwerk?
--> Gratis-Kredit für den Chef
--> Aktien-Lotto
--> Quo vadis, Greenback?
--> 100 minus Lebensalter = Börsenerfolg
--> Haben „Bob the builder“ und US-Präsident Bush etwas gemein?
--> Aktien oder Anleihen: The winner is ...
--> Dow Jones in Richtung 120.000
--> "Baissemarkt bis 2018"
--> Eine schöne Bescherung
--> Von Analys(t)en und Abhängigkeiten
--> Börsen vor "Happy Wende"
--> Wenn der Zauber nicht wirkt
--> Contrariens unter der Lupe
--> Börsencrash revisited
--> Jim Rogers küsst wieder in Wien
--> Bush, Greenspan, Bin Laden ...
--> Zum Verkaufen zu spät, zum Kaufen zu früh
--> Japan ist einen Börsenblick wert
--> Wie sicher sind Versicherungsaktien?
--> Droht ein neuer Ölpreisschock?