Auch in Deutschland wird diese Woche gestreikt - aber nur in Ostdeutschland und dies nur in Betrieben der Metallindustrie. Die IG Metall will damit die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchzusetzen. Auch Lokführer wollen für höhere Löhne streiken.

Von einem Aufruf zu einem flächendeckenden Streik zur Abwehr der Reformen der Bundesregierung im Sozial- und Wirtschaftsbereich schrecken die ansonsten streikgewohnten deutschen Gewerkschaften zurück. Es gebe so etwas wie eine "Streikhemmung", da dies schließlich ein Frontalangriff auf die SPD-geführte Bundesregierung wäre, beschreibt ein hoher Gewerkschaftsfunktionär das Dilemma.

Die Gewerkschaftsvertreter setzen deshalb auf Rhetorik. Mit Widerstandsparolen und - auch in den eigenen Reihen umstrittenen - Vergleichen der Reformen mit der Politik der Weimarer Republik und der NS-Zeit versuchen die Funktionäre, Stimmung gegen die Pläne der Regierung zu machen. Sie hoffen auf Widerstand in der SPD-Basis, die über die Pläne auf einem Sonderparteitag abstimmen kann, und bei den Bundestagsabgeordneten. Dass der Bundeskanzler bei der 1.Mai-Kundgebung ausgepfiffen wurde, war den Gewerkschaftsführern durchaus recht.

Gleichzeitig ist vor allem der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, bemüht, den Gesprächsfaden zu Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht abreißen zu lassen. Schröder hat deshalb Sommer für heute, Dienstag, zu einem Frühstück eingeladen, um doch noch einen Konsens zur "Agenda 2010" zu finden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.5.2003)