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Foto: REUTERS/Alexandra Winkler

Berlin - Der Widerstand gegen das Reformkonzept des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder bricht auf breiter Front zusammen. Im Gewerkschaftslager kam es am Dienstag zum Eklat. Spitzenfunktionäre zerstritten sich über ihre Verhandlungsstrategie so sehr, dass sie ein Treffen des SPD-Gewerkschaftsrates mit Schröder platzen ließen. Kompromisssignale kamen von den linken Flügeln der Regierungsparteien. Das Mitgliederbegehren von zwölf SPD-Abgeordneten gegen die Agenda 2010 droht zu scheitern.

Einen Tag nach der SPD-Regionalkonferenz in Nürnberg, bei der Schröder überraschend klare Rückendeckung von der Basis erhalten hatte, kam es im DGB-Bundesvorstand zu einem heftigen Streit über den weiteren Kurs. Das Spitzengremium fiel offenbar in zwei Lager: Das eine lehnt Schröders Konzept weiterhin komplett ab, das andere setzt auf Kompromisse. Regierung und SPD werteten die Absage des Gewerkschaftsrates als Zeichen dafür, dass die Zustimmung zu den Reformen bei den Gewerkschaften wachse.

"Man ist sich offenbar nicht sicher, ob man nicht die eine oder andere Reform mittragen will", sagte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. DGB-Chef Michael Sommer erklärte: "Momentan scheint keine Verständigung über die vom Bundeskanzler vorgeschlagene so genannte Agenda 2010 möglich zu sein."

Am Morgen hatte Schröder nach einem Treffen mit Sommer von einem Umdenken bei den Kritikern berichtet. Zwar habe jeder auf seiner Meinung beharrt, sagte der Kanzler. "Insofern hat es keine Bewegung in der Sache gegeben. Aber ich glaube, das Verständnis für die Notwendigkeit dessen, was wir mit der Agenda 2010 tun, wächst." Die Gewerkschaften hatten ursprünglich einen heißen Mai angekündigt, falls Schröder nicht zu Zugeständnissen bereit sei.

Während die IG Metall dem Kanzler Blockadehaltung vorwarf, betonte Sommer: "Natürlich sind wir weiter zu Gesprächen bereit." Die Gewerkschaften würden jedoch weiterhin auf die soziale Schieflage der Agenda hinweisen. Die IG Metall bestritt, dass es Krach im Gewerkschaftslager gebe. Die Sitzung des Gewerkschaftsrates soll nun erst nach dem Sonderparteitag der Sozialdemokraten am 1. Juni stattfinden.

Auch die SPD-Linke setzt zunehmend auf einen Kompromiss mit Schröder. "Wir kriegen das hin, den Stimmungsumschwung", sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Michael Müller. Ähnliche Signale kamen von den Grünen: Fraktionschefin Karin Göring-Eckardt berichtete nach einer Sitzung, die Abgeordneten stünden "gemeinsam hinter der Agenda 2010". Das SPD-Mitgliederbegehren gegen Schröders Reformkurs droht ebenfalls zu versanden. Nach Angaben der Initiatoren haben erst rund 5.000 der notwendigen 67.000 Mitglieder unterschrieben.

Rot-grüne Spitzenpolitiker machten Erfolg oder Scheitern der Koalition von der Verwirklichung der Reformagenda 2010 abhängig. Finanzminister Hans Eichel (SPD) sagte: "Entweder man macht die Reformen jetzt - oder man geht." Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warnte seine Partei vor einem Verlust ihrer Regierungsmacht. Die Agenda sei für das Land und die Koalition "von entscheidender Bedeutung", sagte Fischer der "Frankfurter Rundschau". (APA/AP)