Der US-Botschaft in Wien gehört unser höflicher Dank - dafür dass sie, aller Evidenz zum Trotz, noch immer versucht, unsere derzeitige Regierung außenpolitisch ernst zu nehmen. Eine Bestätigung der Meinung, die sie zu diesem Thema hat, erfährt die US-Diplomatie gerade in der weinerlichen Beleidigtheit, mit der die Wikileaks-Enthüllungen von den Betroffenen aufgenommen werden. Das passt bestens zu den aus der Boltzmanngasse - dort ist die US-Botschaft situiert - nach Washington gegangenen Depeschen aus der Provinz, die nicht einmal weiß, dass sie eine ist.

Nicht dass den USA pauschal recht gegeben werden soll: Die Frage, ob wir etwas in Afghanistan verloren haben, kann durchaus diskutiert und verneint (oder auch bejaht) werden. Hier geht es darum, dass Außenpolitik der Staatsspitze heute im Normalfall allerhöchstens als Kulisse dient, aus der sie ihren Scheuklappenblick starr auf das österreichische Publikum gerichtet hat. Das kann jeder "normale" Österreicher beobachten - und als Journalist ist einem dazu so manche Fremdschäm-Erfahrung bei der Beobachtung von Politikern im Ausland vergönnt.

Übrigens haben bisher nur die Türken ähnlich beleidigt reagiert. Auch wenn die Entstehungsgeschichte gewisser Minderwertigkeitskomplexe historisch ähnlich sein mag - Verlust eines Großreichs nach dem Ersten Weltkrieg -, heute ist dieser Gleichklang peinlich. Für beide. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 6.12.2010)