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Ein sichtlich gezeichneter Thomas Gottschalk musste die Sendung abbrechen.

Foto: Reuters/Orlowski

Düsseldorf/Wien - Nach dem schweren Unfall bei "Wetten, dass..?" am Samstagabend soll die erfolgreichste Fernsehshow Europas fortgesetzt werden. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut erklärte am Montag, dass die Sendung "sicherlich weitergehen" wird. "Aber wir werden noch einmal den Sicherheitsstandard erhöhen, obwohl wir immer der Auffassung waren, der ist kaum zu erhöhen", sagte Bellut dem Radiosender NDR 1 Niedersachsen. Gegen die heute verstärkt laut gewordenen Vorwürfe, wegen des hohen Quotendrucks zu riskante Wetten angenommen zu haben, wehrten sich sowohl der Sender als auch Moderator Thomas Gottschalk. Im Vordergrund stehe jetzt der verletzte Wettkandidat.

Zustand weiter kritisch

Während der Live-Übertragung der ZDF-Show am Samstagabend hatte sich ein Wettkandidat schwer verletzt. Der 23-jährige Samuel Koch war mit Federbeinen über fahrende Autos gesprungen und dabei gestürzt. Die Sendung wurde abgebrochen - erstmals in ihrer Geschichte. Kochs Zustand war am Montag weiter kritisch. Er lag im künstlichen Koma. Laut Klinik hatte er eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule erlitten und zeigte Lähmungserscheinungen. Mehdi Mousavi, Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie am Wiener SMZ Ost, sagte der APA dazu am Montag, dass es bei diesem Unfallmechanismus es zu einer "massiven Bewegung des Kopfes gegen den Rumpf" und damit zu einer starken Belastung der Halswirbel gekommen sei. Die Schwere der Konsequenzen sei dabei vor allem von der Höhe der Schädigung an der Wirbelsäule abhängig.

Ob die nächste Show wie geplant im Februar in Halle (Sachsen-Anhalt) über die Bühne geht, dazu wollte sich Sprecher Peter Gruhne noch nicht äußern. Zugleich machte er klar, dass sich die Frage, ob das Moderatorenteam Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker weitermache, nicht stelle. Gruhne betonte aber auch: "Es ist klar - so tragisch es ist - wir haben uns nichts vorzuwerfen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gegeben." Das ZDF stehe in engem Kontakt mit Kochs Familie."Wir hoffen, dass es ihm sehr bald bessergeht. Jetzt steht die menschliche Seite im Vordergrund."

"Vertragssache"

Ob die Gäste, die am Samstag bei "Wetten, dass..?" auf der Couch sitzen oder auf der Bühne auftreten sollten, zu einem späteren Zeitpunkt geladen werden, werde zu gegebener Zeit entschieden. Unter anderem waren Take That und Justin Bieber geladen. Ob sie ihre vollen Gagen für den Abend erhalten, sei "Vertragssache". Dazu könne er nichts sagen, betonte Gruhne. Neben Bieber, der seine Fans bereits gestern dazu aufgefordert hatte, für den Verletzten zu beten, ließen heute auch Take That, ihre Besserungswünsche ausrichten. Die Show abzubrechen sei laut der britischen Popband "absolut richtig" gewesen.

In der Diskussion über den Quotendruck betonte der ZDF-Sprecher, das dieser bisher nicht zur Annahme fragwürdige Wetten geführt habe: "In der gesamten Geschichte ist noch nie ein grenzwertiges Wettangebot angenommen worden." Nach Gruhnes Angaben gingen zuletzt nach jeder Sendung jeweils rund 1.000 neue Wettangebote ein - "nur ein kleiner Prozentsatz bleibt aber am Ende übrig". Laut ORF-TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm werden die Kandidaten stets einer Sicherheitsprüfung unterzogen, um zu gewährleisten, dass sie sich und andere nicht in Gefahr bringen. Wie Böhm im Gespräch mit der APA schilderte, werden die Bewerber von einem kleinen Filmteam besucht und bekommen die Wette vorgestellt, die gleich mitgedreht wird. "Das Material wird dann vom Sicherheitsdienst beim ZDF angeschaut, der bewertet, ob man das sicher machen kann - entweder im Studio oder als Außenwette", sagte Böhm. Die Kandidaten würden von "Wetten, dass..?" keinesfalls zu ihren Wagnissen ermuntert, betonte er.

Quotenkampf

Auch Moderator Thomas Gottschalk wies erneut den Eindruck zurück, die Show sei im Quotenkampf riskanter geworden. "Die Wetten waren nicht riskanter als in vielen Sendungen davor", sagte er der "Bild"-Zeitung vom Montag. Gottschalk sagte, er habe die Konkurrenz mit hochkarätigen Gästen schlagen wollen. Zu möglichen persönlichen Konsequenzen aus dem Unfall wollte sich Gottschalk nicht äußern. "Es geht in den nächsten Tagen nicht darum, sich mit meiner Situation zu beschäftigen, sondern mit der hoffentlich schnellen Genesung von Samuel."

Grundsätzlich sei auszuschließen, dass Wetten nur genommen werden, weil sie potenzielle Quotenbringer sind, sagte Gruhne. Ohnehin: "Die spektakulären Wetten sind nicht zwingend Quotenbringer. Bei den Zuschauern kommt an, was sie selbst nachmachen können." Ähnlich argumentierte der österreichische Mediendramaturg Christian Mikunda. Gefährliche Stunts und waghalsige Showunterhaltung, "die Faszination von Helden im Höher, Schneller, Weiter" sind für den Autor und Psychologen nicht mehr das, was die Menschen im Fernsehen wirklich sehen wollen. "Andere Hochgefühle werden stärker", erklärte er. "Die beliebtesten Wetten sind schon längst die Kinderwetten, die besten Quoten erreichen Sendungen, wo Leute vor Rührung weinen."

560.000 Zuseher im Schnitt

Die Quoten der jüngsten "Wetten, dass..?"-Folge im ORF lassen sich im Übrigen nur schwer bewerten: Der Teletest weist zwar 560.000 Zuseher im Schnitt aus, allerdings ist bei dieser Zahl nur bedingt vergleichstauglich, da die eigentliche Show nur eine halbe Stunde lang plangemäß lief und nach der Unterbrechung bzw. dem vollständigen Abbruch Ersatzprogramm lief. Laut ORF-Medienforschung sahen die erste halbe Stunde im Schnitt 564.000 Seher, zu denen erfahrungsgemäß noch 250.000 bis 300.000 dazugekommen wären, wie man intern hochrechnete. Damit wäre die Folge in etwa im Sendungsschnitt gelegen. (APA/dpa)