Bild nicht mehr verfügbar.

Julian Assange als moderner Guy Fawkes?

Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

Internetnutzer weltweit zeigen sich empört über die Verhaftung des Wikileaks-Gründers Julian Assange durch britische Behörden. Während zahlreiche Menschen auf die Straße gehen um ihren Unmut zu äußern, weht der Proteststurm im Netz besonders stark. In Foren oder sozialen Netzwerken fordern sie die Freilassung Assanges oder rufen zu Protestaktionen auf. Gleichzeitig bündeln Internetaktivisten ihre Kräfte und greifen Server jener Unternehmen, Personen und Einrichtungen an, die sich gegen Wikileaks stellen.

Über eine Million Facebook-Anhänger

Die meisten Unterstützer bekennen sich über das soziale Netzwerk Facebook zur Enthüllungseite - über eine Million User folgen bereits dem Portal. Dort werden aktuelle Enthüllungen genauso wie die mediale Berichterstattung diskutiert und darüber gesprochen, was als nächstes gemacht werden sollte. Als die Verhaftung Assanges bekanntgegeben wurde, erklärten sich Anhänger in über 2.000 Kommentaren im dazugehörigen Beitrag solidarisch mit dem Australier. Mit den Worten "Free Assange" fordern sie die Freilassung des offiziell wegen Vergewaltigung inhaftierten Journalisten. Um ein Zeichen zu setzen, hüllen Facebook-Nutzer ihr Profilbild in eine "Guy Fawkes"-Maske. Assange wird für seine Unterstützer zu Fawkes, der sich mit den Mächtigen anlegte und am 5. November 1605 versuchte, den englischen König Jakob I. zu töten. Seit dem Hollywood-Film "V for Vendetta" ist die Guy Fawkes-Maske das Symbol für den Kampf für ein freies Internet - Aktivisten geben sich durch sie zu erkennen und schützen damit gleichzeitig ihre Identität.

Gegenangriff

Der Widerstand äußert sich aber keineswegs nur in passiver Form. Nachdem die Domain Wikileaks.org in den vergangenen Tagen massiven Internetattacken ausgesetzt war und zunehmend Finanzdienstleister wie PayPal, Visa oder Mastercard ihre Verträge aufkündigten und damit die Spendenzahlungen boykottierten, haben die Aktivisten des Internetkollektivs Anonymous unter der "Operation: Payback" zum Gegenschlag angesetzt. Wurde zunächst durch so genannte DDoS-Attacken der Firmenblog von PayPal für mehrere Stunden außer Gefecht gesetzt, gelang es im zweiten Anlauf den Online-Auftritt der schweizer Bank Postfinance in die Knie zu zwingen, nachdem der Finanzdienstleister das Konto Assanges aufgelöst hatte. Wie aktuell berichtet, haben Hacker inzwischen auch die Webseiten der Finanzdienstleister VISA und MasterCard zum Ausfall gebracht.  

Ein weiterer Angriff richtete sich indes gegen die Internetseiten der schwedischen Staatsanwaltschaft und von Frauen-Anwalt Borgström. Die Homepages der schwedischen Staatsanwaltschaft und des Anwalts jener beiden Frauen, die behaupten, der Nötigung von Wikileaks-Gründer Julian Assange ausgesetzt gewesen zu sein, sind in der Nacht das Ziel von Hacker-Angriffen gewesen. Die Internet-Seiten waren in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vorübergehend nicht erreichbar. Laut der schwedischen Nachrichtenagentur TT hatte es in verschiedenen Online-Medien Aufrufe an die jeweiligen Anwender gegeben, ihre Computer für Angriffe auf die Homepages der Justizvertreter im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Assange zur Verfügung zu stellen.

Wikileaks-Enthüllungen als Lebensversicherung

Wer hinter den Angriffen auf die Server von Wikileaks steht, ist nicht bekannt. Nachdem vor allem die USA durch die Berichte des Enthüllungsportals in politische Bedrängnis gebracht wurden, werden die Angreifer in den Kreisen der Regierung vermutet. Doch die Angriffe auf Wikileaks und die Verhaftung des Chefredakteurs Assange haben bislang nur wenig Wirkung gezeigt. Die Betreiber erklärten, auch ohne Assange weiterzumachen (via Twitter) und sehen die Finanzierung bislang nicht in Gefahr. Notfalls sollten Unterstützer Spenden per Post zukommen lassen. Die Domain musste zwar mehrmals geändert werden, die heiklen Dokumente seien aber gesichert. So wurden die Inhalte mittlerweile auf über 1.000 Webservern auf der ganzen Welt gespiegelt und als Absicherung in verschlüsselter Form (256 Bit) in Tauschbörsen entlassen. Hunderttausende Nutzer sollen die 1,5 Gigabyte große Datei "insurance.aes256" bereits erhalten haben, die die kompletten 250.000 zugespielten Dokumente des US-Außenministeriums enthält. Die Datei stelle für Assange und Wikileaks eine Art Lebensversicherung dar. Sollte den Betreibern etwas zustoßen, würden die Dateien entschlüsselt und die Dokumente ungeschwärzt inklusive aller Namen an die Öffentlichkeit gelangen. (zw, derStandard.at, 8.12.2010)

Der WebStandard auf Facebook