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China drohten wirtschaftliche und soziale Krisen, wenn es die Menschenrechte nicht voll gewährleiste, sagte Thorbjörn Jagland, Vorsitzender des Nobel-Komitees, bei der Vergabe des Friedensnobelpreises an den abwesenden Liu Xiaobo. Rund 20 Staaten boykottierten die Zeremonie. Serbien schickte doch noch einen Vertreter.

Foto: AP/dapd/Heiko Junge

Am Tag der Vergabe des Friedensnobelpreises an den inhaftierten Dissidenten Liu Xiaobo konnte China trotz Zensur und Repression nicht verhindern, dass der leere Stuhl in Oslo zum Symbol des Widerstandes wurde.

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Pekings Mikroblogger gingen früh ans Werk. "Guten Morgen, Xiaobo, guten Morgen, Nobelpreis", zwitscherten sie mit ihren Kurzbotschaften auf öffentlich erreichbaren Foren, die als Ersatz des in China verbotenen Twitter geschaffen wurden. Sie gratulierten dem in Chinas Haft sitzenden Nobelpreisträger Liu Xiaobo zu seinem großen Tag in Oslo. Einer der Blogger riet listig, wie der David des Internets dem chinesischen Großzensor Goliath ein Schnippchen schlagen könne. "Verbreitet dieses Foto in Windeseile als euer Logo", twitterte er und gab den Link zum Bild des leeren Stuhls an, der für Liu Xiaobo in Oslo aufgestellt wurde. "Stellt ihn überall auf. Heute ist das der wichtigste Stuhl der Welt."

Keine halbe Stunde später wanderte das neue Symbol für den zivilen Widerstand gegen Chinas allmächtige Propaganda rauf und runter durchs Internet. Selbst auf der unverdächtigen Autowebseite xcar.com.cn bildete einer das Foto ab und schrieb dazu: "Ich salutiere vor dem leeren Stuhl. "

Die offiziellen Webportale durften sich solch subtilen Spott nicht leisten. Sie wurden scharf kontrolliert und zensiert. Auf der Facebook entsprechenden chinesischen Seite Renren erschien beim Versuch, die Worte "leerer Stuhl" oder "Oslo" zu suchen, der Hinweis "verbotener Inhalt". Die in China empfangbaren TV-Nachrichtensender CNN oder BBC wurden zunächst geschwärzt, wenn sie über Liu Xiaobo oder den Nobelpreis berichteten, und ab Freitag 13 Uhr ganz ausgeblendet.

Zugleich geht Peking verschärft gegen Liu-Unterstützer vor. Schon am Donnerstag wurde der Verfassungsrechtler Zhang Zuhua, ein Vertrauter Liu Xiaobos und Mitautor der Charta 08, nahe seiner Wohnung von Polizisten abgeführt. Die Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD) zählte dutzende Fälle von Festnahmen, Verbannungen, Ausreiseverboten, Verhängung von Hausarrest ohne richterliche Zustimmung auf. Neben Lius Frau Liu Xiao und Autorenfreund Yujie, die seit sieben Wochen unter Hausarrest und Kontaktsperre stehen, nennt CHRD Professoren, Anwälte, Künstler in Peking und fünf weiteren Städten, die überwacht, schikaniert und bedroht würden.

Auch die Pekinger EU-Vertretung bekam die gespannte Atmosphäre zu spüren. Die Botschaft hatte am Donnerstag zu einem lange vorbereiteten Seminar über das Thema "Rechtsstaatlichkeit" 50 Juristen, Forscher, Anwälte und NGO-Vertreter eingeladen. Vier Fünftel von ihnen durften nicht kommen. EU-Botschafter Serge Abou reagierte mit den Worten: "Das ist faktisch eine Schande."

Vor den Botschaften der UN-Organisationen in Peking zerstreute die Polizei am Freitagmorgen eine Demonstration von rund 200 Bittstellern, die zum Internationalen Tag der Menschenrechte in die Hauptstadt gekommen waren. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.12.2010)