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London - Die "New York Times" hat aus weiteren von Wikileaks veröffentlichten Depeschen zitiert, worin US-Diplomaten ihre Sorge über "Überbleibsel anti-semitischer Einstellungen" unter Mitarbeitern des Vatikan äußerten. Demnach hieß es in einer US-Depesche von 2002, dass ein nicht genannter älterer Mitarbeiter französischer Abstammung sich beschwert habe, dass das starke Interesse der US-Regierung am modernen europäischen Antisemitismus aus dem "exzessiven Einfluss von Juden in euren Medien und eurer Regierung" stamme.
Die Veröffentlichung sorgt für Debatten im Vatikan. Der vatikanische Staatssekretär Tarcisio Bertone reagierte betont gelassen auf die "Cables" von US-Diplomaten, in denen er als "Ja-Sager" bezeichnet und wegen seiner mangelnder Sprachkenntnisse kritisiert wird. "Ich bin stolz, als 'Ja-Sager' bezeichnet zu werden. Dieser bunte Ausdruck spiegelt meinen Einklang mit der pastoralen Linie des Papstes wider", kommentierte Bertone.
Der Vatikan hatte am Samstag die Wikileaks-Enthüllungen, zu denen auch Berichte der US-Botschaft beim Heiligen Stuhl an das US-Außenministerium gehören, als "extrem schwerwiegend" bezeichnet. Die Depeschen aus der Vatikan-Botschaft spiegelten nur die "Wahrnehmungen und Meinungen" der Schreiber wider, hieß es in einer Mitteilung der vatikanischen Pressestelle am Samstag. Die Inhalte könnten weder als Äußerung des Heiligen Stuhls noch als genaue Zitate von Kurienmitarbeitern betrachtet werden.
Irritationen
In der Nacht auf Samstag waren über die britische Tageszeitung "The Guardian" mehrere den Vatikan betreffende Depeschen veröffentlicht worden. Sie handeln unter anderem vom Verhalten des Heiligen Stuhls zu den Missbrauchsfällen in Irland, aber auch vom Beitrag, den der Papst zur Befreiung 15 britischer Matrosen im Iran geleistet habe. Irritationen löste auch die inoffizielle Türkei-Politik von Josef Ratzinger - seit 2005 Papst Benedickt XVI. - als einflussreicher Präfekt der Glaubenskongregation aus.
Im Vatikan konnte man den Ärger wegen der Wikileaks-Enthüllungen jedoch nicht zur Gänze verbergen. "Die Bewertungen über den Heiligen Stuhl bezeugen, auf welchen Tiefpunkt die US-Diplomatie gesunken ist. Sie verliert allmählich an Glaubwürdigkeit", wurde ein anonymer Purpurträger von der römischen Tageszeitung "La Repubblica" am Sonntag zitiert.
Die Wikileaks-Enthüllungen versetzen den US-Botschafter beim Heiligen Stuhl, Miguel Diaz, in Verlegenheit. "Wir verurteilen die Veröffentlichung von Dokumenten, die angeblich Geheiminformationen des US-Departments sind", hieß es in einer Presseaussendung. (APA/AFP)