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Am Beginn des Tierrechtler-Prozesses stand Aktionismus. Nun geht es um Undercover-Einsätze

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wiener Neustadt - Tierschützerprozess, 61. Verhandlungstag. Alles wartet auf "Danielle Durand", jene verdeckte Ermittlerin (VE), die sich in den Jahren 2007 und 2008 in die Tierschützerszene einschlich, sich an politischen Aktionen beteiligte, Scheinfreundschaften schloss und mit dem Zweitangeklagten ein sexuelles Verhältnis begonnen haben soll.

Doch im Zeugenstand sitzt Chefinspektor Stefan Wappel, kleingewachsen, schmal, grauhaarig: der "VE-Führer" vom Büro für verdeckte Ermittlungen im Bundeskriminalamt, wie er sich vorstellt. Er und sein Vorgesetzter Karl Kuhn - groß, breit, rotgesichtig - haben besagte Dame, die schon davor "in den Bereichen Suchtgift und Falschgeld" zum Einsatz gekommen war, bei den Tierschützern eingeschmuggelt.

Trinkflasche abgegeben

Und zwar ausschließlich "zur Gefahrenabwehr laut Sicherheitspolizeigesetz", betont Wappel: "Um strafrechtlich relevante Handlungen wie zum Beispiel Sachbeschädigungen, wie es sie davor gegen die Firma Kleider Bauer gab, zu verhindern". Zwar seien er und "Durand" im Auftrag der Sonderkommission (Soko) Tierschutz aktiv geworden, die auch den Rechtsschutzbeauftragten in Kenntnis gesetzt habe. Doch in die Soko-Ermittlungen wegen Mafiaverdachts laut dem umstrittenen Paragrafen 278a seien sie nicht eingebunden gewesen. Auch der Vorhalt, dass "Durand" von Tierschützern benutzte Trinkflaschen zur DNA-Ermittlung an die Soko weitergeleitet hat, ließ ihn nicht wanken.

An die Soko sandte Wappel vor wenigen Wochen auch den "Amtsvermerk" - eine 96-seitige Zusammenfassung von "Danielle Durands" Wirken, nachdem ihr ein Privatdetektiv im Auftrag der Beschuldigten auf die Spur gekommen war: In der Anklageschrift und den Akten wurde sie davor nicht erwähnt.

Das Papier, das aus dem Jahr 2007 stammt, führt eine Aktenzahl aus dem Jahr 2008. Dies sei wegen einer "Umdatierung aus bürointernen Gründen" so, antwortete Wappel, als ihn Verteidigerin Alexia Stuefer auf diesen Widerspruch hin befragt. Die Aufzeichnungen aus "Durands" eigener Feder seien jedoch komplett, behauptete er - um nach der Mittagspause doch zugeben zu müssen, dass von ihm selbst angefertigte Protokolle über die verdeckte Ermittlung noch "auf seinem Schreibtisch" lägen.

Kampf der Anwälte 

Davor hatten die Verteidiger mit der Vorsitzenden Sonja Arleth schwer um ihr - durch die Strafprozessordnung verbrieftes - Recht auf Zeugenbefragung zu kämpfen. Arleth nahm ihr Recht, Fragen zuzulassen oder abzulehnen, exzessiv wahr - und signalisierte Wappel vom Richtertisch aus, wann dieser auf eine Anwaltsfrage zu schweigen, wann zu antworten habe.

"War die verdeckte Ermittlung Ihrer Ansicht nach erfolgreich?", fragte da etwa Verteidiger Philipp Bischof. "Die Frage wird nicht zugelassen", konterte Arleth - und konnte erst durch Stuefers Hinweis auf die Menschenrechtskonvention zur Änderung ihrer Ansicht bewegt werden. "Die Verhandlungsführung entspricht dem Geist des verhandelten Paragrafen", kommentierte der Paragraf-278a-Kritiker und Prozessbeobachter Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 14.12.2010)