Wien - Rund 60 Prozent der Fläche Österreichs sind noch natürlich bis naturnah, rund 30 Prozent sind bereits als relativ naturfern bis künstlich einzustufen: Das zeigt eine Forschungsarbeit des Instituts für Ökologie der Universität Innsbruck, die anlässlich des zu Ende gehenden "Jahres der Biodiversität" am Mittwoch in Wien präsentiert wurde. Die Wissenschafter haben dafür Indikatoren zur Messung der Natürlichkeit von Lebensräumen entwickelt.
Wie Instituts-Leiterin Ulrike Trappeiner erklärte, handelt es sich bei den naturfernen Regionen vor allem um die besiedelten Räume, Städte, Straßen, Infrastrukturen und landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen. Diese würden, wenig überraschend, besonders in den Tieflagen bis 300 Meter Seehöhe überwiegen, "wo der Nutzungsdruck massiv ist und nur noch 20 Prozent der Flächen natürlich bzw. naturnah sind". Zwischen 300 und 600 Metern Höhe seien schon 50 Prozent der Fläche naturnah, von 600 bis 1.100 Metern bereits 70 Prozent und in höheren Lagen nähere man sich sehr rasch 90 bis 100 Prozent.
Laut Trappeiner sind diese Werte im mitteleuropäischen Vergleich "sehr gut". Das hänge stark mit den relativ naturnahen Wäldern in Österreich zusammen, auch mit den vielen Grünlandflächen, wie Almen, wo Landwirtschaft extensiv betrieben werde, und natürlich auch mit der Gebirgslage Österreichs.
Florale Vielfalt als Indikator
Als wichtigen Indikator haben die Wissenschafter die Vielfalt der Gefäßpflanzen (Tracheophyta) in Österreich erfasst; dies entspricht der Gesamtheit aller Pflanzen mit Ausnahme der Moose. Dazu dienten die Daten von mehr als 11.000 Vegetationsaufnahmen als Grundlage. Mit Hilfe eines Geographischen Informationssystems (GIS) kann nun mit diesen beiden Indikatoren der menschliche Einfluss auf Art und Intensität der Landnutzung sowie die biologische Vielfalt flächendeckend für ganz Österreich analysiert werden. Zudem können mit diesen Daten verschiedene Zukunftsszenarien berechnet werden. So kann man etwa bei geplanten politischen Maßnahmen im Vorfeld testen, wie sich das etwa auf die Pflanzenvielfalt oder die Natürlichkeit auswirken würde, sagte Trappeiner.
Wie das ausschauen könnte, hat Erwin Schmid, Leiter des Instituts für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Universität für Bodenkultur (Boku), gezeigt: Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums haben die Wissenschafter berechnet, welche Auswirkungen es hätte, wenn es das "Programm der Ländlichen Entwicklung" nicht gebe, in dessen Rahmen umweltgerechte Landwirtschaft mit rund einer Milliarde Euro gefördert werden. Ein Verlust dieser Ausgleichs- und Agrarumweltzahlungen hätte deutliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die landwirtschaftliche Nutzung, es würde etwa auf großen Flächen deutlich mehr aufgeforstet, was sich nicht unbedingt positiv auf die Artenvielfalt auswirkt. Umgekehrt führe das Programm dazu, dass landwirtschaftliche Nutzflächen vor allem im alpinen Raum weiter bewirtschaftet und nicht aufgeforstet werden, und es führe zu einer Extensivierung der landwirtschaftlichen Flächen, so Schmid.
Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des vom Wissenschaftsministeriums betreuten Programms "Provision" durchgeführt. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), die Boku und die Uni Innsbruck ermitteln im Projekt "Werkzeuge für Modelle einer nachhaltigen Raumnutzung" erstmals im OECD-Raum für das gesamte Bundesgebiet flächenbezogene Agrar-Umwelt-Indikatoren, die als Ergänzung für die die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung herangezogen werden sollen. (APA/red)