Unbeeindruckt und unbeirrt nahm die Regierung die Streiks gegen das schwarz-blaue Sanierungskonzept fürs Pensionssystem zur Kenntnis. Die Reform sei unumgänglich und wohl dosiert. "Politische Streiks" seien unösterreichisch.


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Zitiere einen Parteigänger deines politischen Gegenspielers - und sei es ein verstoßener -, der noch dazu einmal Gewerkschaftschef war, und nimm den Kritikern deiner "Pensionssicherungsreform" damit den Wind aus den Segeln: Nach diesem Motto verfährt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP) neuerdings bevorzugt. Und Vizekanzler Herbert Haupt (FP) tat es ihm am Dienstag nach dem Ministerrat gleich. Beide Regierungsspitzen führten nämlich den früheren ÖGB-Präsidenten Franz Olah, Schlüsselfigur bei der Verhinderung des KP-Aufstands 1950, als Kronzeugen für die Richtigkeit der schwarz-blauen Pensionspläne - und also als Beleg gegen die Argumente des ÖGB, der SPÖ und der übrigen Kritikerschar an.

FP-Chef Haupt war "ganz bei Olah", der in einem Interview mit der Kleinen Zeitung zu Protokoll gegeben hatte, dass Streiks in einer Demokratie zwar sein dürfen, "aber sie lösen das Problem nicht". Ein Problem, das aus Haupts Perspektive sogar eine ausgewachsene "Malaise" ist, "die diese Bundesregierung jetzt auszulöffeln hat". Aber, so Haupt: "Wir sind bereit, in dieser Sanierungsgemeinschaft dieses Problem einer Zukunftslösung zuzuführen."

Das Problem sei, nahm auch VP-Chef Schüssel Anleihen bei Olah, "zu wenig Kinder, zu wenig Einzahler, zu viele Herausnehmer, zu hohe Lebenserwartung". Man habe "jetzt handeln müssen. Jetzt ist die Zeit für einen neuen Realismus", sagte Schüssel. Mit einem Streik "trifft man die Falschen", betonte der Kanzler. Überhaupt gebe es in Österreich "die Tradition, dass es keine politischen Streiks geben soll. Und diese Tradition ist auch wichtig." Nach einer "Zeit der Zuspitzung" müsse es immer wieder auch eine Zeit der Entspannung geben.

Die Leiden der Schwarz-Blauen

"Unsere Türen bleiben offen, unsere Hände sind ausgestreckt zum ordentlichen Dialog", richtete der Kanzler eine Einladung an die Sozialpartner, bei den Sanierungsarbeiten, die die schwarz-blaue Regierung dem Pensionssystem angedeihen lassen will, mitzuarbeiten. Im Parlament und in den Ausschüssen hätten die Kritiker noch jede Menge Zeit, mit der Regierung über die Pensionspläne zu diskutieren. Umgesetzt, und zwar jetzt, müsste die Reform auf jeden Fall werden, sagte Schüssel, nur aus Gründen der Notwendigkeit "tun wir uns das an. Würden wir nur an die Macht denken, würden wir sagen: Wurschteln wir weiter." Und umgesetzt werde sie auch - Schüssel glaubt nicht daran, dass die Regierung über ein paar abtrünnige Abgeordnete aus den eigenen Reihen stolpern könnte: "Die Mehrheit, die wir haben, ist ausreichend." Man habe "eine sehr vernünftige Basis für den Beschluss im Parlament gelegt", zeigte sich Schüssel "sehr, sehr zuversichtlich", einen Konsens zustande zu bringen.

Auch Vizekanzler und FP-Chef Haupt ist überzeugt, den eigenen Parlamentsklub unter Kontrolle zu haben und das Gesetz durchzubringen. Beide Klubs seien sich einig, den Fahrplan für die Pensionspläne durchzuhalten. An die Streikorganisatoren im ÖGB appellierte Haupt, "gemeinsam und nicht im Gegeneinander" zu einer Lösung zu kommen.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) erblickte im Vorgehen der Gewerkschaft "leider" einen Akt der "Entsolidarisierung zwischen Jung und Alt". Noch weniger Verständnis mochte sie für die Streiks an den Schulen - am Dienstag an der AHS, kommende Woche an den BHS und Pflichtschulen - aufbringen. Sie wolle prüfen lassen, ob streikende Vertragsbedienstete damit eventuell ihr Gehalt für die Streikzeit verspielt hätten. Als Drohung wolle sie dies nicht verstanden wissen. Aber sie würde sich "freuen, wenn man die Verantwortung für die Jugend wahrnimmt und unterrichtet".

Die koalitionären Klubchefs, Wilhelm Molterer und Herbert Scheibner, wollten indes der Opposition einen "Wunsch" erfüllen und boten ein siebenstündiges Hearing zu den 700-seitigen Budgetbegleitgesetzen mit der Pensionsreform an. SP-Reaktion: Nein, danke! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.5.2003)